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Historische Vierteljahrsschrift — 3.1900

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Nachrichten und Notizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.60745#0313
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Nachrichten und. Notizen.

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der Grundkarten, um sich bewusst zu werden, dass eben diese Gemarkungen
das Ergebnis einer jüngeren Entwickelung, dass sie als „Canevas“ historisch-
geographischer Arbeiten nicht schlechthin brauchbar sind.
E. Richter, der bekanntlich die Bearbeitung eines historischen Atlasses
der Alpenländer leitet, teilte mir mit, dass sich die Gemarkungskarten selbst
als internes Hilfsmittel der historisch-kartographischen Arbeit nur wenig
bewährt haben. Er hat die Ansicht gewonnen, dass die Grundkarten der Her-
stellungskosten nicht wert seien. In der That ist es, glaube ich, an der-
zeit, dass dem Irrtum der „Grundkartenforschung“ möglichst rasch entsagt
und unnötige Ausgaben an Geld und Arbeit verhindert werden. Den terri-
torialgeschichtlichen Kreisen ist gewiss kein Vorwurf daraus zu machen,
dass sie sich „der Bewegung“ angeschlossen haben. Ihre Sache war es
nicht, die allgemeinen geschichtswissenschaftlichen Grundlagen der „Grund-
kartenfrage“ zu prüfen.
Der Ansicht, dass die Ortsfluren nicht jene Stabilität besassen, die
man früher annahm, schloss sich — zum Teil wenigstens — R. Kötzschke
an, der in den Deutschen Geschichtsblättern I. 5 (ausgegeben Anfang März)
über „die Technik der Grundkarteneinzeichnung“ handelte. Der vornehm-
liche Zweck des Aufsatzes ist, konventionelle Zeichen für Eintragungen auf
historischen Karten vorzuschlagen: Darstellung von Oertlichkeiten, Wegen,
Verwaltungsbezirken, Grundbesitz, Flurverfassung u. s. w. Erörterungen
dieser Art sind gewiss dankenswert. Aber K. schickte diesen Ausführungen
allgemeinere Bemerkungen voraus, mit denen ich mich auseinandersetzen
muss.
Zunächst sei das Eine bestimmt hervorgehoben. Indem K. den Wechsel
der Gemarkungen zugiebt, indem er ferner erklärt, dass man verzichten
müsse, die Gemarkungen schlechthin für Eintragungen historischer That-
sachen zu gebrauchen, stellt er sich auf einen ganz neuen Boden, giebt
vollständig das auf, was bisher als das Wesentliche, das eigentlich Brauch-
bare und Eigentümliche der Grundkarten gegolten hat. Denn worin soll
denn nun das „Eigenartige“ der Grundkarten liegen, die „den Anbau eines
neuen Gebietes geschichtlicher Forschung“ veranlassen, die „die Möglichkeit
bisher unerreichter Genauigkeit in der räumlichen Darstellung historischer
Probleme“ gewähren?
K. betont mit vollem Recht die Notwendigkeit, die Zustände der Ver-
gangenheit im Raume zur Anschauung zu bringen. Wer wollte das leugnen?
Aber ist das nicht längst anerkannt? Ist man nicht längst eifrig bemüht,
Forschungen aller Art: verfassungsgeschichtliche und wirtschaftshistorische,
besonders auch sprachgeschichtliche, kartographisch zu veranschaulichen —-
und alles das ohne Grundkarten? Wenn Kötzschkes Darstellung den An-
schein erwecken könnte, als ob die „Grundkartenbewegung“ diese Gesichts-
punkte gezeitigt hätte, so muss dem mit aller Schärfe entgegengetreten
werden. Diese kartographischen Bestrebungen, hoffnungsvoll, zukunftsreich,
des weiteren Ausbaues würdig und fähig, sind nicht von der „Grund-
kartenbewegung“ ausgegangen, bestanden vor ihr, bestehen neben ihr- und
werden hoffentlich noch lange nach ihr bestehen. Man muss sich dessen
gleich jetzt klar bewusst werden, wo wir vielleicht am Anfang einer wissen-
 
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