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Historische Vierteljahrsschrift — Leipzig, Dresden: von Baensch-Stiftung, Band 4.1901

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Kritiken
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https://doi.org/10.11588/diglit.60746#0140
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126 Kritiken.

dem Kanzler unentbehrlich, der von ihm sagte, Abeken könne so viel
arbeiten, wie vier andere Menschen (S. 534).

Dass Abeken sich diese Arbeitskraft bewahrt, ist ein Beweis für
seine grosse sittliche Kraft. Denn bitter schwer ist es, wenn man in
den besten Mannesjahren arbeiten muss, ohne einen befriedigenden
Lohn der Mühe zu sehen, wenn man die Hälfte der Lebensjahre über-
schritten, aber noch keine feste Stellung erlangt hat. Abeken fand
in dem Berufe als Seelsorger keine dauernde Befriedigung. Er gab
die Stelle eines Gesandtschaftspredigers in Rom, die er Bunsen ver-
dankte, auf, unternahm Reisen nach Aegypten, nach Palästina, trieb
gelehrte Studien, fühlte aber keine Neigung, die akademische Lauf--
bahn zu ergreifen. Eigentliche Begeisterung für die Wissenschaft hatte
er nicht genug, um andere begeistern zu können, viel mehr interessierte
ihn das politische Leben (S. 133). Aber, das fühlte er wohl, es war
für ihn aussichtslos, auf diesem Wege eine Lebensstellung zu erringen.
Auch als er im April 1848 als Hilfsarbeiter in das Ministerium der
Auswärtigen Angelegenheiten berufen wurde (S. 152), war dabei von
Karriere „so wenig die Rede, wie von Remuneration‘“ (S. 156). Im
Jahre 1849 erhielt der bereits Vierzigjährige endlich seine feste An-
stellung als Legationsrat. Er hat nun im Ministerium unter ver-
schiedenen Ministern gedient, zuletzt unter Bismarck. Nicht immer
hielt er alles für richtig, was dieser ihm auftrug (S. 425), aber er
gehorchte, ohne seine persönliche Ueberzeugung zu ändern. Sah er
doch, dass selbst der König fast immer dem Willen des Kanzlers
nachgab (S. 433), wenn oft auch erst nach schweren Kämpfen. Es
kam auch vor, dass Abeken die Sache beim König verfechten musste,
denn Bismarcks Nervosität erschwerte nicht selten das Verhandeln.
Wie segensreich während des Krieges von 1870/71 Abekens versöhn-
liches Wesen gewirkt, wie oft er der Dolmetsch der Gedanken Bismarcks
gewesen, das lässt uns das vorliegende Buch deutlich erkennen.

Berlin. Richard Schmitt.
 
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