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Historische Vierteljahrsschrift — Leipzig, Dresden: von Baensch-Stiftung, Band 4.1901

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Kritiken
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https://doi.org/10.11588/diglit.60746#0564
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550 Kritiken.

in den Jahren der Abkehr vom Kaiser, Kaspars Schmid, propria
charitas incipit ab ego, war auch der Seine. Indem nun Doeberl
den Nachweis dafür erbringt, dass Ferdinand Maria von Anfang an
sein territoriales, bayerisches Interesse in den Vordergrund rückte
und zur Richtschnur seiner Politik machte, gewinnt er auch einen
neuen Standpunkt für die Beurteilung dieses Fürsten. Doeberl weist
nach, dass derselbe in politischen Dingen doch nicht so unselbständig
war, als man bisher angenommen hat, und dass der Wechsel in der
Leitung der auswärtigen Politik, der dem Abschlusse des bayerisch-
französischen Bündnisses voranging, mehr eine Folge als die Ursache
der veränderten Anschauungen Ferdinand Maria’s gewesen ist. Die
eingehenden Charakteristiken, die Doeberl von all den Persönlichkeiten
entwirft, die im Laufe der Jahre 1657—1670 massgebenden Einfluss
auf den Kurfürsten geübt haben, gehören zu den wertvollsten Teilen
seiner Arbeit. Insbesondere ist es die Thätigkeit Kaspar’s v. Schmid,
die durch die Forschungen Doeberls aufgedeckt wird. Man erkennt
jetzt deutlich, dass dieser Staatsmann es gewesen ist, der mit fester
Hand eingriff und als Realpolitiker ein wirksames Gegengewicht
gegen die mehr phantastische Richtung der Kurfürstin Adeleide und
des bayerischen Gesandten Mayr bildete.

Dass die französische Diplomatie jener Zeit der kaiserlichen an
Geist und Energie weit überlegen war, wird durch die Erörterungen
Doeberls neuerdings erhärtet. Ref. möchte auch nicht die vielen
Ungeschicklichkeiten, die sich des Kaisers Minister und Gesandten zu
Schulden kommen liessen, rechtfertigen. Nur das eine möchte er
auch Doeberl gegenüber betonen: wer der Politik Leopold I. gerecht
werden will, darf nie vergessen, dass dieser Herrscher nicht in der
Lage war, die Forderungen, die man an ihn stellte, zu erfüllen.
Doeberl meint einmal, der Kurfürst sei mit Recht darüber entrüstet
gewesen, dass Leopold ihm eine kleinere Summe — 200 000 Gulden —
zu geben weigerte. Allein er vergisst, dass zu gleicher Zeit fast alle
Fürsten des Reiches und „viele auswärtige Mächte die gleichen
Forderungen stellten, während Leopold von seinen Ständen nur mit
Mühe und Not die für seine eigenen dringendsten Bedürfnisse uner-
lässlichen Geldsummen, von den Mächten, an die er sich seinerseits
um Unterstützung wendete, aber wenig oder nichts erhielt. Es ist
doch bezeichnend, dass die Fürsten, die ihrerseits von Opfern im
Interesse der deutschen Sache nichts wissen wollten, gerade vom
Reichsoberhaupte die volle selbstlose Hingabe an die nationale Sache
forderten. Von einer solchen war aber am Wiener Hofe ebensowenig
die Rede, wie an den Höfen der grösseren und kleineren Fürsten;
daher musste auch für den Kaiser immer wieder die Rücksicht auf
 
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