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Historische Vierteljahrsschrift — Leipzig, Dresden: von Baensch-Stiftung, Band 4.1901

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Nachrichten und Notizen I
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https://doi.org/10.11588/diglit.60746#0578
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564 Nachrichten und Notizen I.

übersehen hat? Keineswegs. Die gelehrten Zitate W. Sickels sind erstaunlich,
sie sind morgenländischen und abendländischen, griechischen und römischen
Quellen entnommen, sie beziehen sich auf verschiedene Jahrhunderte —
leider nur niemals auf die vom 6. Bd. der Verfassungsgeschichte behandelten
Zeiträume. Keine einzige der zahllosen. Quellenstellen und
Litteraturangaben, die W. Sickel in seiner Besprechung bringt,
darf als Ergänzung der im 6. Bd. der Verfassungsgeschichte ge-
botenen Ausführungen gelten. Ja wo Sickel gelegentlich über die
karolingische Periode hinausgreift, da begnügt er sich, hinzuweisen auf —
Waitz VI (vgl. S. 377 ı, 378 2, 386, 387). „Des beschränkten Raumes halber‘,
sagt W. Sickel, wolle er nur auf die occidentalen Nachrichten des 9. Jahr-
hunderts eingehen. Ein merkwürdiges Verfahren fürwahr! Ueber Band 6
der Verfassungsgeschichte, die sich mit der deutschen Kaiserzeit beschäftigt,
war zu referieren, der Kritiker aber lehnt es „des beschränkten Raums
halber‘‘ ab, die Periode des 10. bis 12. Jahrhunderts zu berühren, er zieht
es vielmehr vor, auf 25 zitatengesegneten Seiten Ergänzungen zu Fragen
zu geben, die in Bd. 6 der Verfassungsgeschichte gar nicht behandelt sind
und nach der Anlage des Gesamtwerkes gar nicht zu behandeln waren.

Schon die bisher hervorgehobenen Eigentümlichkeiten der Sickel’schen
„Kritik“ verdienen scharfen Tadel. Ich sehe darin einen argen Missbrauch
kritischer Thätigkeit, der Kritik Exzerpte einzuverleiben, die mit dem be-
sprochenen Werk in keinen Beziehungen stehen und die offenbar eben nur
deshalb hier veröffentlicht werden, weil sie sonst nicht unterzubringen
waren.

Indessen, das sind Geschmacklosigkeiten, die den Autor angehen. Nicht
das hat meinen Protest veranlasst. Auch nicht die Ungezogenheiten, die sich
W. Sickel gegen meine Person erlaubt hat und die natürlich unerwidert
bleiben. Ebensowenig die merkwürdigen Klagen W. Sickels über die
gegenwärtig in Deutschland herrschenden öffentlichen Zustände, über den
allgemeinen Verfall der Universitäten u. s. w., über die Zerstörung seines
Lebensglückes i. J. 1884, die ihn an der Ausarbeitung einer Verfassungs-
geschichte hinderte.

In der Hauptsache ist es lediglich das eine Moment, das diese meine
Erklärung bewirkt hat: W. Sickels lange Zitatenreihen, die mit Waitz VI
gar nichts zu thun haben, werden in einer Form geboten, dass sie Leser,
die nicht mit den Verhältnissen genau vertraut sind, als Ergänzungen des
besprochenen Buches und als Zeugen der lüderlichen Arbeitsweise des
Herausgebers auffassen müssen. Dieses verwerfliche Verfahren bildet den
wesentlichsten Vorwurf, den ich der neuesten „Kritik‘‘ W. Sickels gegen-
über zu erheben habe; hierin sehe ich einen litterarischen Unfug schlimmer
Art, den öffentlich zurückzuweisen ich für nötig halte.

Leipzig. G. Seeliger.
 
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