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soll sich nicht darein mengen, denn es ist nicht möglich,
sich von den Polen bezahlt zu machen. Da schreibt der
Minister wohl, wenn wir den Polen gefällig wären, so
würden sie ihren Handel von Danzig abziehen und uns >
zuwenden; aber das ist nur ein ganz windiges Projekt
und ganz überflüssig: den Eommerce der Danziger können >
wir ihnen schon so benehmen, und dazu haben wir die
Polen nicht nötig, wenn wir nur vernünftig dabei zu Werk
gehen und mit Holz und Korn ordentlich handeln, und
wenn wir viele Materialwaren anschaffen und französische
Weine und was die Polen sonst brauchen, ihnen zuführen,
so daß sie alles, was sie an Waren nötig haben, bei uns
finden und bekommen können. Das ist das rechte Mittel,
den Commerce von Danzig weg und an uns zu ziehen.
Darauf soll der Minister denken und rafsinireu! Mit
fremden Höfen aber für seinen Kopf eine Negoziation an-
fangen, das ist seine Sache nicht, das verbiete ich ihm
allen Ernstes und das soll er sich nicht wieder unter-
stehen."
Der König hatte schnell und lebhaft gesprochen, und
ebenso schnell, wie er sprach, war die Feder des Kabinets-
rats über das Papier geflogen, um kein Wort zu ver-
lieren.
„So," sagte der König, nachdem Stelter noch die letzten
Worte niedergeschrieben, „das alles soll dem Herrn von
Görne in meiner Antwort auf seinen Bericht gesagt werden,
aber klar und deutlich und ohne Umschweife, er soll nicht
sagen können, daß er nicht verstanden habe, was ich meine,
und er soll ganz genau wissen, daß ich mich mit ihm er-
zürnen werde, wenn er weiter solchen windigen Projekten
nachgeht: das schreibe Er ihm also ganz deutlich, versteht
Er wohl, und lege Er mir morgen die Ausfertigung vor."
„Zu Befehl, Majestät! sagte Stelter.
Er legte den Bericht und sein Notizblatt, in die Mappe,
und da der König nichts weiter bemerkte, sondern nach-
denklich im Zimmer auf und nieder ging, so nahm er seinen
Hut auf und zog sich nach einem tiefen Kompliment, rück-
wärts schreitend, nach der Thüre zu.
„Also Rhabarber und Geduld!" rief ihm der König
mit freundlichem Kopfnicken zu. „Ich kenne das aus
Erfahrung, und laß Er Seine Frau nicht in die Dienst-
sachen hineinreden."
Kaum war Stelter hinausgegangen, so meldete der
Kammerlakai:
„Der Legationssekretär Menken steht zu Eurer Maje-
stät Befehl!"
Friedrich nickte, und unmittelbar darauf trat ein noch
junger Mann, ebenso wie Stelter in ein Hofkostüm von
schwarzer Seide gekleidet, in das Zimmer und blieb, nach-
dem er den König ehrfurchtsvoll begrüßt, in der Nähe
der Thüre stehen.
Der Eintretende war ein Mann von schlankem,
kräftigem Wuchs, iu den dreißiger Jahren, sein offenes,
klares Gesicht mit den hellblickenden Augen zeigte zwar
eine gewisse Befangenheit bei dem Anblick des Monarchen,
aber durchaus keine ängstliche Scheu oder Furcht. Einige
Hunde sprangen ihm bellend entgegen, Arsinoe aber be-
schnupperte ihn und richtete sich dann, freundlich wedelnd,
an ihm empor.
Friedrich sah ihn mit seinen großen Augen durch-
dringend an; er schien jeden Zug seines Gesichts zu
prüfen und bis auf den Grund seiner Seele dringen zu
wollen.
Der Legationösekretär Menken hielt den Blick des
Königs ruhig aus, ohne die Augen niederzuschlagen,
während er, sich leicht herabbeugend, den Kopf des Wind-
spiels streichelte.
„Er ist der Legationssekretär Menken?" sagte Friedrich
endlich „Er hat bisher bei meiner Gesandtschaft in
Stockholm gestanden? Der Graf von Herzberg hat Ihn
mir gerühmt als einen tüchtigen und geschickten Menschen."
„Seine Exeellenz der Graf von Herzberg," erwiderte
Menken mit einer vollen und wohlklingenden Stimme,
wie sie Friedrich besonders liebte, „mag vielleicht zu günstig
über mich geurteilt haben, doch bin ich mir bewußt, daß !
ich wenigstens alles aufgeboten habe, um ein so wohl- !
wollendes Urteil durch meinen Eifer zn verdienen."
„Die Arsinoe da schmeichelt Ihm," sagte der König
halb lächelnd, „das spricht dafür, daß Er auch ein ehr-
licher Mann ist. Die Hunde sind dankbar und ehrlicher
und wissen meistens die guten von den schlechten Menjchen j
zu unterscheiden, was wir selbst nicht immer im stände -
sind."
Auch Menken lächelte.
„Ich liebe die Hunde, Majestät," sagte er, „und habe
oft den Instinkt bewundert, mit dein sie die Freunde und
Feinde ihrer Herren unterscheiden, doch hoffe ich, Eure
Majestät werden sich bei jeder Gelegenheit, wo es gilt,
alle Kräfte meines Lebens Allerhöchsterem Dienst zur
Verfügung zu stellen, auch ohne das Zeugnis dieses klugen
Tieres von meiner Treue und Ergebenheit überzeugen."
Friedrich nickte einigemale schweigend mit dem Kopf, j
wie er es wohl zu thun pflegte, wenn eine offene und
freimütige Antwort ihm gefiel, dann warf er aus seiner
goldenen, reich mit Edelsteinen besetzten Tabelliere eine >
Prise Spaniol unter seine Nase hin und fuhr fort:
„Ich brauche einen Kabmetsrat für die auswärtigen
Angelegenheiten, und da ist Er mir von Herzberg em- >

I l l n st r i r t e Welt.

pfohlen. Weiß Er auch wohl, was ein solcher Posten
bedeutet?"
„Ich kann mir freilich," erwiderte Menken, „von dem
Umfange der Geschäfte kaum eine genügende Vorstellung
machen, doch ist mir vollkommen klar, welche Verantwort-
lichkeit ein solcher Posten auferlegt: an der Hingebung
und Liebe für Eure Majestät und das Vaterland wird
es mir niemals fehlen, diese Verantwortung zu tragen;
ob meine Kraft dazu ausreicht, darüber kann ich selbst
nicht urteilen."
Der König war einigemale auf und nieder gegangen
und blieb dann wieder vor Menken stehen.
„Sieht Er wohl," sagte er, „wenn Er mein Kabinets-
rat ist, dann muß Er eine Maschine sein — versteht Er
wohl? Das soll Ihn aber nicht herunterdrücken, denn
Einer kann nur regieren, und da ich nun einmal der
König bin, so muß ich allein regieren und meine Werk-
zeuge müssen meine Diener sein, wie ich der Diener des
Staats bin. Und doch darf Er wieder keine Maschine
sein, denn Er muß meine Gedanken verstehen, Er muß
ihnen Worte geben und meinen Willen einfügen in das
Räderwerk der Staatsmaschine. Dazu muß Er mir ge-
hören, mir ganz allein, versteht Er wohl?"
„Ein jeder Diener Eurer Majestät," erwiderte Menken,
„gehört Ihnen mit seinem Leben, mit seiner Kraft, mit
seinem Geist und seinem ganzen Wesen."
„Das ist nichts," sagte der König kopfschüttelnd, „das
sind Redensarten, und Er sieht mir zu gescheit aus, um
sich mit Redensarten abzugeben. Der Graf von Herz-
berg hat Ihn mir empfohlen; das ist ein großer Diplomat,
ein treuer Diener, der mit der Feder ebenso tapfer gegen
die Uebermacht gefochten hat, wie ich mit dem Degen.
Der Graf war Sein Chef; es ist natürlich, daß Er ihn
liebt und verehrt, aber merk Er sich wohl, von dem Augen-
blick, wo Er in meinen Dienst tritt, geht Ihn kein anderer
Mensch auf Erden etwas an; Er hat auf niemand zu
hören, nach niemand zu sehen, niemand etwas zu sagen
oder von niemand sich etwas sagen zu lassen. Er hat
keine eigenen Ideen zu haben, versteht Er wohl, weder
eigene, noch solche, die Ihm andere eingeben."
„Ich verstehe Eure Majestät vollkommen," erwiderte
Menken, „und ich gebe Ihnen mein Wort als ehrlicher
Mann, daß ich niemals einen andern Ehrgeiz haben werde,
als Ihr Diener zu sein, ganz so und soweit Allerhöchst-
dieselben es befehlen."
„Nun," sagte der König freundlich, „wenn Er mich
versteht, so ist es gut, und wenn Er sein Wort hält, so
wird es noch besser für mich und für Ihn sein. Aber
ich habe Ihm schon gesagt, daß Er wohl eine Maschine,
aber eine denkende und verständige Maschine sein muß,
und Er mehr als die anderen. Meine Kabinetsräte für
die innere Verwaltung, die haben nur nötig, den einen
Geschäftszweig zu kennen, in dem sie arbeiten. Was ich
da will, das wissen sie, ohne daß ich es ihnen lange er-
kläre, das ist Ordnung und Pünktlichkeit und klare Rech-
nung. Aber die auswärtigen Angelegenheiten, die erfordern
mehr, das ist ein weitläufiges und komplizirtes Feld, da
brauche ich einen studirten Mann, der die Geschichte kennt
und erfaßt und begreifen kann, wo ich hinaus will, damit
er überall in meinem Sinn denkt und handelt. Versteht
Er wohl, die auswärtigen Angelegenheiten, das ist ein
weites, schwieriges Gebiet für ein Land, das etwas ge-
worden ist, wie Preußen, das eine Stellung zu behaupten
hat, die schwer erkämpft wurde und viel beneidet wird —"
„Und das," fiel Menken lebhaft ein, „immer vorwärts
streben, immer höher hinaufsteigen muß, wenn es nicht
zurücksinken will von der Höhe, auf die sein großer König
es gehoben."
„Da hat Er wohl recht," sagte Friedrich, freundlich
nickend, „aber dazu ist Vorsicht und Ruhe nötig, die mit dem
Alter kommen und die Er auch immer noch mehr lernen
wird, wenn Seine Haare erst grau werden. Mit dem
Kaiser Josef stehe ich wohl ganz gut, aber wenn ich einmal
in Not kommen sollte, so werde ich, wie die Dinge uun
einmal liegen, an Oesterreich immer einen Feind haben"
„Ganz gewiß, Majestät," rief Menken, „wohl ist bei
dem Hause Habsburg noch die Kaiserkrone, aber es hat
nicht mehr die Herrschaft in Deutschland. In Preußen
lebt der deutsche Geist; in diesem« Geist haben Eure
Majestät den Fürstenbund geschaffen. Heute ist das viel-
leicht uur uoch eine Form, aber die große Aufgabe der
Zukunft ist es, dieser Form Leben zu geben. Die Kaiser-
krone, welche nichts mehr bedeutet als eine inhaltslose
Tradition, wird zerbrechen, aber eine neue Kaiserkrone
wird geschmiedet werden von dem deutschen Volke selbst,
und diese Krone wird ihren Platz finden auf dem Haupte
des Königs von Preußen, den heute schon der nationale
Stolz als den ersten Fürsten und treuesten Schirmherrn
anerkennt und verehrt."
Friedrich blickte mit fast wehmütigem Ausdruck in das
von Begeisterung flammende Antlitz Menkens, dann klopfte
er demselben leicht auf die Schulter und sagte.
„Er ist noch jung, noch sehr jung! Was Er da sagt,
das laß Er keinen andern hören! Die Weltgeschichte
mißt ihre Schritte nach Jahrhunderten, und wir, die wir -
uns in der Jugend wohl einbilden, die Geschichte zu j
machen, wir sinken nach wenigen Jahrzehnten in den Staub ;
zurück."

„Und doch, Majestät," rief Menken, „vermögen wir
in der kurzen Spanne unseres Daseins die Spuren der
Weltgeschichte zu verfolgen und aus der Vergangenheit
und Gegenwart auf die Zukunft zu schließen, so daß wir
schaudernd die Abgründe oder begeistert die lichten Höhen
erkennen können, denen die Menschheit entgegengeführt
wird. In Frankreich, Majestät, sehe ich den geöffneten
Abgrund, dem die glänzende Monarchie entgegenrollt, für
Preußen aber sehe ich die stolze, lichte Zukunft, welche mir
ein mächtiges deutsches Reich zeigt, dessen Krone und
Schwert die Vorsehung für das erhabene Haus der Hohen-
zollern bestimmt hat."
„Ich bin nicht so vermessen wie Er," erwiderte
Friedrich mit wohlwollendem Lächeln, „in die Zukunfts-
pläne der Vorsehung eindringen zu wollen, aber Pflicht
ist es wohl, für mein Haus und mein Land alles zu thun,
um die Ausführung solcher Pläne möglich zu machen,
wenn der Augenblick gekommen ist. Wenn so etwas
wirklich im Laufe der Geschichte liegt, fuhr er sinnend mit
aufwärts gerichteten Blicken fort, „so wird es Sache
Seiner Enkel sein, meine Nachfolger dann einst bei dem
großen Werke zu unterstützen. Sorge Er dafür, daß
solches Verständnis und solches Vertrauen in Zukunft bei
Seiner Familie bleibe, dann wird Er auch Seinen Teil
daran haben, was die künftigen Tage vielleicht einmal
bringen können. Jetzt bleibe Er hübsch bei der Gegen-
wart und diene Er mir, um den Weg für die künftigen
Generationen frei zu machen. Ich sehe schon, daß Er
mich versteht, und das ist mir lieb, und wenn Er sich nur-
allein an mich kehrt und nicht rechts und links die Augen
wirft und vom Wege abweicht, so werde ich mit Ihm
zufrieden sein. Hüte Er sich auch," fuhr der Köuig fort,
indem er eine Beteurung Menkens durch eine gebieterische
Handbewegung zurückwies, „hüte Er sich auch vor allem
Verkehr mit den fremden Diplomaten, die sich vielleicht
an Ihn herandrängen werden; das taugt nichts."
„Eure Majestät," sagte Menken, „dürfen überzeugt
sein, daß ich meine Pflicht kenne und ernstlich zu erfüllen
bestrebt sein werde. So lange ich selbst Diplomat war,
habe ich freilich wohl mit den Mitgliedern der anderen
Gesandtschaften verkehrt, um sie sprechen zu machen —"
„Ich weiß — ich weiß," fiel der König freundlich ein,
„Er hat das geschickt gemacht und da manches erfahren,
was mir nützlich war; nun, da weiß Er ja, wie das ge-
macht wird, und wird sich in acht nehmen. Er hat ja
auch als Legationssekretär in Stockholm sich wohl ebenso
gut Seine Gedanken über die notwendigen Bedingungen
meiner auswärtigen Politik gemacht, wie Er über die
deutsche Zukunft geträumt hat. Nun, dann weiß Er auch,
daß alle unsere Aufmerksamkeit sich nach dem Osten richten
muß. Rußland ist der Schwerpunkt, auf den wir uns
stützen müssen. Die Kaiserin Katharina liebt mich nicht,"
fuhr er mit sarkastischer Miene fort, „aber sie ist eine kluge
Frau und weiß, was ihrem Lande notthut; sie wird nicht
so thöricht sein wie die Kaiserin Elisabeth, sich mit meinen
Feinden zu verbinden, wenn auch der Kaiser Josef sick-
alle Mühe gibt, sie zu gewinnen. Sie will nach Kon-
stantinopel und weiß ganz genau, daß sie nicht dahin
kommen kann, wenn ich es nicht will, also müssen wir
schon gute Freunde sein, aber gute Freunde, die sich
einander scharf auf die Finger sehen. Da ist dies un-
glückliche Polen, ein Zwitter zwischen Monarchie und
Republik, das immer den Franzosen dazu dient, um eine
Brandfackel in den Osten zu werfen. Das kann so nicht
dauern, das Ende wird kommen; aber wir müssen wachsam
sein, daß wir nicht ganz leer gehen, und die Russen uns
nicht gar zu nahe heranrücken lassen; deswegen gilt es,
genau aufzupassen, was in Petersburg geschieht. Die
Engländer haben mit ihren Kolonien zu thun, die Fran-
zosen genug mit sich selbst. In Petersburg liegt der
Schwerpunkt, darauf habe Er acht. Mache Er mich auf
alles aufmerksam, was von daher kommt. Wir müssen
da mit zwei Mächten gut stehen, mit der Gegenwart und
der Zukunft, mit der Kaiserin und mit dem Großfürsten."
„Ich begreife vollkommen, Majestät," sagte Menken,
„es war ja in Stockholm schon meine Aufgabe, nach
Petersburg zn blicken, und vielleicht konnte man von jenem
Beobachtungsposten aus besser sehen, was dort vorging,
als an der Newa selbst."
Friedrich nickte mehrmals zustimmend.
„Er kennt also die Fäden und versteht mich, wie ich
schon sehe; ich will Ihn also zu meinem Kabmetsrat
machen. Geh Er demnach zum Grafen Herzberg und
sage Er ihm das. Ich werde Befehl geben, daß die aus-
wärtigen Sachen an Ihn gehen, und morgen früh soll
Er Seinen Dienst antreten."
Er winkte entlassend.
Menkens treues und geistvolles Gesicht strahlte vor
Freude und Glück, aber er hielt den Ausdruck seines
Dankes zurück. Pflichttreuer Eifer in dem ihm über-
tragenen Dienst war ja der einzige Dank, der für den
König Wert hatte.
Mit tiefer Verbeugung zog er sich zurück.
Friedrich nahm seinen großen Stock mit goldener
Krücke, an welchem reiche Steine funkelten, und schritt
durch die Fensterthür auf die Terrasse hinaus.
Freudig bellend sprangen seine Hunde voran.
Einen Augenblick blieb er tief ausatmend stehen, sich
 
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