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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Künstlerische Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0056

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KUNSTLERISCHE ERZIEHUNG

Der gewaltige Kampf, der uns umtobt, hat viel Kleines
und Kompliziertes in unserem Tun hinweggefegt, hat
uns größer denken gelehrt und uns in den Stand gesetzt,
auch objektiver über uns selbst zu denken. Auf allen Ge-
bieten sehen wir da, wo wir in Abhängigkeit vom Fremden
waren, den Kampf um Befreiung der deutschen Seele
geführt. Auf künstlerischen Gebieten wurden dabei die
strengsten und fruchtbarsten Anstrengungen gemacht.
An dieser Aufgabe haben alle mitzuwirken, die zu
Erziehern des Volkes, der Jugend, bestellt sind. Vor
allem auch die Künstler. Die künstlerische, die kunstge-
werbliche Erziehung, die Erziehung zur Beherrschung
und Anwendung künstlerischer Grundsätze in der Ge-
staltung des Werkes wird die bereits vor dem Kriege
beschrittenen Bahnen, die auf Abstreifung alles Fremden,
auf die Läuterung des Geschmackes, auf die sachliche
Lösung der Aufgaben, auf die künstlerische Durchbildung
der Form abzielten, weiter verfolgen können. Nur muß
alles innerlicher werden, vom äußerlichen sich mehr ab-
wenden. Aus einem gesteigerten Innenleben, aus dem
Verstehen und Begreifen unseres Wesens nur, wird sich
die Deutsche Form herausbilden können, die die neue
Zeit anschaulich macht und der Zeit den Stilcharakter
geben soll. Künstlerische Arbeit ist individuelles Schaf-
fen. Die Erziehung wird also dem Einzelnen größten
Spielraum lassen müssen, aus sich heraus zu werden und
die Erziehung wird sich auf sehr vorsichtig abgewogene

Ratschläge zu beschränken haben. Je verwandter die
geistigen Kräfte der Einzelnen sind, um so verwandter
werden die künstlerischen Äußerungen sich gestalten
und umsomehr wird das gesamte Bild der einzelnen Er-
zeugnisse harmonisch sein. Unser Leben wird neue Inhalte
erhalten, dessen Formen aus der Erkenntnis ihrer geistigen
Ursachen und Wirkungen heraus zu bilden sind. Jede
zu lösende Aufgabe wird demnach zunächst in ihrer Be-
deutung erschöpft werden müssen, ehe ihre formale
Lösung erfolgt. Und Begreifen wird dem künstlerischen
Gestalten vorangehen. So sehr nun die Einzelnen als Indi-
viduen in ihrer künstlerischen Entwicklung zu werten
sind, so hat die Schulung der Kräfte sie doch vor unreifen
spekulativen Ideen über das Verhältnis der Kunst zur
Natur zu bewahren, das sie verführt, zu früh von der
Natur loszukommen und ihre künstlerischen Schöpfungen
der Natur als Erzeugnis ihres Geistes gegenüberzustellen.
Sinn und Aufgabe der Schule wird es vielmehr sein
müssen, dem Schüler die Natur in ihren formalen und far-
bigen Erscheinungen zu erschließen, ihn anzuhalten, durch
eifriges Studium sich eine Empfindung über ihre Gesetz-
mäßigkeit anzueignen und sich Ausdrucksfähigkeiten und
Möglichkeiten zu erarbeiten und die Phantasie durch die
Überfülle der in der Natur sich darbietenden Formen zu
befruchten und zu eigenem schöpferischen Gestalten an-
zuregen. Die tiefsten Probleme geistigen Ringens um
Kunst- und Weltanschauung gehören nicht in die Schulen.
 
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