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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Lux, Joseph August: Zweck und Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0099

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INNEN-DEKORATION

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: * , II





ARCHITEKT KARL JOH. MOSSNER —BERLIN. »ANKLE1DE-Z1MMER MIT EINGEBAUTEN SCHRANKWANDEN« AUSF: ANTON POSSENBACHER

als einziges Mobiliar nur ein paar Kisten aufgestellt
hat. Das sind keine zweckvollen Möbel. Aber
vom Standpunkt der Armut und Bedürfnislosigkeit
erfüllen sie doch vollkommen ihren Zweck, woraus
hervorgeht, daß Zweck ein Verhältnismäßiges ist.
Nun aber über diese Kisten weißes Linnen gebreitet
wird und Blumen darauf gestellt werden, senkt
sich die Gnade absoluter Schönheit auf das Heim
des Armen herab, von der die Seele weiß, daß
sie direkt von den Sternen kommt und mit der
Kunst viel näher verwandt ist, als mit dem, was
wir Zweck nennen und nur der Geist der Kiste ist.

So entstand das gotische Mobiliar, dessen Be-
wegliches die Truhe ist, der Geist der Kiste. Er
genügte zur Not, denn er erfüllte seinen Zweck; aber
er genügte der Seele nicht, die anfing daran herum-

zuschnitzen und wunderliche Dinge hervorzubrin-
gen, Maßwerk, goldene Madonnen in Flügelaltären,
vor denen die Seele anbetend knien konnte und
die ebensowenig greifbaren Zweck hatten, wie die
in alle Jenseitigkeiten hineinwachsenden Dome.

Und dann wieder schufen Barockkünstler bau-
chige Möbel von außerordentlicher Schönheit,
wenngleich uns heute der dürftige Schulmeister-
Verstand belehren will, daß es nicht »zweckmäßig«
sei, Holz so zu behandeln, als ob es getrieben sei.
Aber alle Schulmeistergehirne der Welt haben
zusammen nicht soviel Schönheit hervorzubringen
vermocht, als an einem einzigen Boule-Möbel
sichtbar ist, daran sich die Seele erfreut, wenn-
gleich derlgefühlsarme Verstand sich heute sagen
muß, daß. die Möbel des kunstseligen Barocks

1917. 8.
 
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