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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Beyerlen, Carl: Moderne Rohrmöbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0180

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160

INNEN-DEKORATION

GLASGEMALDE IM THERMALSCHWIMMBAD ENTW: PROF. ROBERT ENGELS—MÜNCHEN

MODERNE ROHRMOBEL

In den meisten Häusern ist irgendwo eine ziemlich un-
definierbare Sitzgelegenheit, die aus einem ornamen-
talen Gewirr von Meerrohrwürmern besteht, die sich um
einige festere stützende Rohre ranken. Sollte ein Besuch
auf den Gedanken kommen, dieses Meerrohrrankenwerk
tatsächlich zum Sitzen zu benützen, so wird er dies meist
mit einem Riß in den Kleidern zu büßen haben, denn zu
seiner stark musikalischen Veranlagung hat der sogen.
»Rohrstuhl« noch die Eigentümlichkeit, da und dort Nagel-
köpfe heraustreten zu lassen. Dieser eben geschilderte
Rohrstuhl dürfte im großen Ganzen dem entsprechen,
was man sich in breiten Schichten unter Rohrmöbeln vor-
stellt. — Unstabil, billig, sehr leicht, zusammengenagelt,
hat solch ein Möbelstück für Erwachsene meist keinen
andern Vorteil, als den der nahezu unglaublichen Billig-
keit; um so mehr Freude haben daran die Kinder, die
sehr bald entdecken, daß man diesen Stuhl abwickeln kann.

Diese Gründe haben ein großes Vorurteil gegen das
Rohrmöbel geschaffen. —Mit dem »Sich-wieder-auf-das-
Material-Besinnen« und auf die, dem Material am besten
und vollkommensten entsprechende Form, sind nun mo-
derne Rohrmöbel entstanden, die mit den oben geschil-
derten nur mehr den Namen gemein haben. Richtiger
würde man wohl auch statt Rohrmöbel das bezeichnen-
dere Wort Korbmöbel gebrauchen. Das einzige Rohr-
möbel, das stets gut in der Form war, so gut, daß es
selbstverständlich in seiner Form war, ist der Strandkorb.

Man muß sich bei der Beurteilung des Rohrmöbels
darüber vor allem klar werden, daß dieses aus gebogenen
Rohren und Korbgeflecht besteht, also aus durchaus an-
deren Materialien, als das geschreinerte Holzmöbel. Rohr-
möbel, die in ihrer Vierkantigkeit so aussehen, als ob sie
eben so gut auch könnten vom Schreiner in ganz der-
selben Form aus Holz hergestellt werden, sind von vorn
herein verfehlt und tragen technische Fehler in sich, die
Unstabilität geradezu bedingen.

Man vergegenwärtige sich: die starken Rohre, die das
tragende Gerüst des Rohrmöbels sind, werden unter Ein-
wirkung von Hitze gebogen. Ecken sind unmöglich. Wo
solche aber doch erzwungen werden, knickt das Rohr auf
der einen Seite, während es auf der anderen Seite bis
zur Mitte durchbricht. Solche Stellen sind meist mit
flach geschältem Flechtmaterial überwickelt, also von
außen nicht sichtbar und befinden sich da, wo etwa seit-
liche Stützen an die tragenden Füße anlaufen. Daß hälftig
gebrochene Stützen etwas recht Bedenkliches sind, ist
ohne weiteres klar. Es werden daher die besten und
dauerhaftesten Rohrmöbel möglichst in weich geschwun-
genen Linien gearbeitet sein. Man wird auch darauf achten,
möglichst wenig Einzelstücke bei der Herstellung des
»Gestells« zu verwenden, weil das häufige Verbinden der
Rohrstäbe die Stabilität des Möbels beeinträchtigt. Man
wird zum Beispiel ein Stück Rohr als Fuß vom Boden
heraufführen, es in Armstützenhöhe biegen, als Armstütze
 
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