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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Luethgen, Eugen: Kunstgewerbe und Romantik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0212

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192

INNEN-DEKORATION

HANS BEATUS WIELAND—MÖNCHEN

BIBLIOTHEK IN EINEM HERRENZIMMER

Freiheit der Auffassung zugesellt, die es bewirkt, daß auf
die Zweckgemäßheit der kunstgewerblichen Erzeugnisse
zum Teil Verzicht geleistet wird. Ein Grundsatz, der
die Bewegung im Keime ersticken läßt, sofern er auf das
Gesamtgebiet des Kunstgewerbes ausgedehnt wird. Denn
es leuchtet ohnehin ein, daß Inneneinrichtungen sich durch-
aus den bewußten Zwecken des Bestellers anzupassen
haben. Nicht durch einen Bruch mit den überlieferten
Formen und den einmal erkannten überlieferten Gesetzen
des Formschaffens kann eine neue Grundlage kunstge-
werblicher Gestaltung geschaffen werden, sondern nur in
langsamer Fortentwicklung des einmal Gewonnenen. Nur
dadurch also, daß die schöpferische Kraft des Einzelnen,
eingeordnet in die sich stetig abrollendeEntwicklungsreihe,
sich mehr und mehr auf sich selbst zu besinnen sucht.
Das Kunstschaffen muß mehr als bisher aus schöpferischer
Krafthevorwachsen. Nur so wird es möglich, den Reichtum
anFarben undkünstlerischenGedanken wiederzugewinnen,
den frühere Zeiten in hohem Maße besessen haben.

Schon das Streben nach persönlichem Ausdruck muß
die Erkenntnis fördern, wie stark das heutige Kunstschaffen
abhängig ist von anerkannten Formeinheiten. Zwischen
dem bewußt Nachschaffenden, der sich keineswegs scheut
aus übernommenen Einzelformen ein »eigenes« Gesamt-
werk zu schaffen und dem Künstler, der aus eigener
Überlegung und aus künstlerischem Gefühl seine Formen
gewinnt, scheint zunächst nur ein geringer Unterschied.
Nur die feinere Untersuchung lehrt, daß sich in den wesent-
lichen Merkmalen der künstlerischen Gestaltung, in der
Reinheit der Verhältnisse, der feinfühligen Anordnung
und Gegenüberstellung der Massen, dem geschmeidigen
oder klar abgesetzten Verlauf des Linienrhythmus die
Ursprünglichkeit eines eignen künstlerischen Gefühls

offenbart. In der Gesamtheit des Aufbaues, der einheit-
lichen Geschlossenheit der Ausdruckswirkung liegt allein
die sichere Gewähr für die Eigenart künstlerischen Fühlens.

Es bedarf keiner Erwähnung, daß solche Gestaltungs-
weise eine in sich geschlossene Persönlichkeit voraussetzt.

Wo sich heute innerhalb der vielfältigen unsicheren
Neigungen in dem neuen Kunstgewerbe derartig neuge-
staltende schöpferische Kräfte finden, gilt es, sie zu unter-
stützen, damit wenigstens die Möglichkeit der Anbahnung
einerneuen künstlerischen Überlieferung geschaffen werde.
Dieses neue Feingefühl, das sich in folgerichtiger Ent-
wicklung herauszubilden beginnt, scheint deshalb stilbil-
dende Kraft zu besitzen, weil es sich unmittelbar als ein
Teil der geistigen Gesamthaltung unserer Zeit erweist.
Denn dieses Feingefühl wendet sich absichtlich und bewußt
fort von allem, was als das Ergebnis einer rein gedank-
lichen Erwägung gelten könnte.

Trotzdem aber entwickelte sich diese Bevorzugung
zum gefühlsbedingten, phantasievollen Schaffen aus den
stärksten geistigen Kräften unserer Zeit, aus der Wissen-
schaft und den ihr eigentümlichen Forschungsweisen.
Denn die Wissenschaft, deren Ziel es war, kleinste Un-
terschiede und geringfügigste Ähnlichkeiten aufzudecken,
leistet durch diese Einstellung des Auges auf dieBedeutung
kleinster Einzelformen der Kunst gute Dienste, weil
dadurch eine Verfeinerung aller Organe des Erkennens
bedingt wurde. Zugleich auch eine Steigerung der Auf-
nahmefähigkeit der Sinne, denn mit ihrer ständigen Übung
erweitern sich die Grenzen der Welt. Die Steigerung der
Empfindlichkeit der Sinne, die es ermöglicht, daß feinste
Energiewellen als Reize verspürt werden, veranlaßt eine
neue Einstellung des Auges auf die sinnlichen Wirkungs-
formen der Sichtbaren Welt.......(Schluß siehe Seite 202.)
 
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