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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Vom wohnlichen Garten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0223

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INNEN-DEKORATION

203

PROFESSOR JOS. OLBR1CH t DARMSTADT TIEFGELEGENER ROSENGARTEN IN DARMSTADT

VOM WOHNLICHEN GARTEN

Gartenwohnen, Gartenleben überhaupt, scheint mir,
wird schon lange nicht mehr seinem hohen Werte
nach geschätzt, und wo's noch geschieht, da wird's
meistens nicht verstanden, es auszuüben.

Gartenleben bewußt zu genießen ist: seine volle ethi-
sche Bedeutung erkennen. Nur wer das Herz sich warm
erweiten fühlt, wem die Brust ein unnennbares Glücks-
gefühl in seinem Garten durchströmt, nur der lebt in
ihm. Dem wird sein Garten geben, was er immer sollte:
Sammlung und sittliche Kraft — Erhöhung seines Men-
schentums. — Unsere Altvordern — um unsere letzten
guten und allgemeiner bekannten Gärten zu streifen —
widmeten, inmitten der Familie, einen beträchtlichen Teil
ihrer Zeit dem Garten. Der war, von Hecken und schüt-
zendem Gemäuer traulich eingeschlossen, architektonisch
gebildet, ein Wohnraum. So wohnten sie in ihrem
Garten, in welchem Blume, Strauch und Baum, mit feinem
Sinn einander beigesellt und liebevoll gehütet, durch Er-
innerung und stetes Neuerleben, jedwedes einen Platz in
ihrem Herzen hatte. Was müssen solche Stunden heime-
lichen Umgangs mit der so heiter-schönen Welt jener
Gärten für die Menschen, für die Völker bedeutet haben,
die sie besaßen, wenn die Empfindsamen der Heutigen

noch beim Anblick uns erhaltener Reste ein machtvolles
Sehnen nach Glück und Reinheit überkommt! Das aber
erfüllt unsere herrschende Gartenkunst nimmermehr. In
den meisten unserer derzeitigen Gärten kann man nicht
wohnen, kann man nicht glücklich sein!

Der Garten kam herunter, als wir begannen, seines
Wesens besten Teil, seinen architektonisch-räumlichen
Charakter zu vergessen. Fast jedes der großen Kultur-
völker hat, wie die Geschichte zeigt, eine blühende Garten-
kunst geschaffen. Bei allen fast der gleiche gesunde Auf-
stieg vom einfachen, rein zweckmäßigen Nutzgarten zu
dem in Form und Farbe mehr oder minder fein differen-
zierten Zier- und Wohngarten auf geometrischer Basis.
Denn, der ursprüngliche Nutzgarten ist notwendigerweise
immer geometrisch, und logisch müßte da sein konse-
quenter Ausbau immer zum architektonischen Bilden füh-
ren, zum architektonischen Garten, der dann durch Klima,
Sitten und Begabung eines Volkes mitbestimmt, in wunder-
f einem Spiegel seine Seele zeigt. Die Gärten der Ägypter,
Hellenen und Römer, die maurischen Gärten, die Gärten
der Renaissance und der Franzosen unter Ludwig XIV.,
die deutschen Gärten der werdenden Städte, die Burgen-,
die Klöster- und die Bauerngärten — alle waren, und

1817. V. 4.
 
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