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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Renatus, Kuno: Vom alten Bilder-Rahmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0249

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VON ALTEN BILDER-RAHMEN

Der Innenarchitekt von heute kann nur mit offenem
Neid auf die hohen, raumschmückenden Werte
blicken, die den Alten in ihren Bilderrahmen zur Ver-
fügung standen. Denn es ist von außerordentlicher Wir-
kung, wie ein solcher Rahmen einen ganzen Raum zu
beleben vermag; wie er das festliche Ereignis, welches
in jedem wahren Bilde anwesend sein soll, erhöht und
über eine größere Fläche eindrucksvoll verbreitet. Die
moderne Produktion hat dem nichts unmittelbar Ver-
gleichbares zur Seite zu stellen. Wieder einmal kann man
nur mit einer gewissen Resignation fragen, woher diese
Pracht gekommen und wohin sie gegangen ist.

Dabei ist die Kunst des Rahmens eigentlich so alt
wie die Malerei selbst. Denn im Anfang war die Einheit
von Malerei und Architektur, und als das Tafelbild von
seinem hierarchischen Platz am Altar herunterstieg, da
nahm es zunächst von daher seinen architektonischen
Rahmen mit. Der Altarrahmen wie der Tabernakelrahmen
sind namentlich jenseits der Alpen im 15. Jahrhundert
häufig. Wenn wir heute eines jener prächtigen Taber-
nakel mit seinem alten Bilde in einer modernen Galerie
antreffen, so haben wir leicht den Eindruck, daß der
Rahmen mit seinem Reichtum das Bild erdrücke, denn
unser Auge ist an das ausstellungsmäßige Nebeneinander
der Bilder gewöhnt und vergißt, daß an Ort und Stelle,

um die Einzigkeit des Bildes zu unterstreichen, die Wir-
kung die richtige war. Als die aufkommende Profan-
malerei eine andere Art der Rahmung forderte, stellte
sich als einfachstes und eigentlich schönstes Motiv der
Blumen- und Früchtekranz in Gestalt des Rundrahmens
ein. Namentlich Florenz hat an solchen Rundrahmen,
angeregt durch die wundervollen plastischen Guirlanden
der beiden Robbia, entzückende Arbeiten hervorgebracht.

Der Leistenrahmen ist eigentlich erst von der Hoch-
renaissance des sechzehnten Jahrhunderts zur selbstver-
ständlichen Allgemeinheit und zugleich größten Höhe
entwickelt worden. Je mehr die Zeit antiker Ruhe nach-
strebte, desto mehr suchte man im Rahmen strenge Ge-
radlinigkeit, bestritt den Dekor mit den klassischen Form-
elementen wie Eierstab, Perlstab usw. und suchte den
Reiz in der Feinheit der Profilierung. Die Mittelleiste
wird der eigentliche Tummelplatz der Phantasie, während
nach außen und innen der Abschluß mit strengen klas-
sischen Elementen genommen wird. Für die Mittelleiste
kommt auch zuerst neben dem Schnitzwerk die Stuck-
technik in Anwendung.

Die Selbstbescheidung zur klassischen Ruhe und
Strenge wird bald abgeworfen von dem mächtigeren
Ausdruckswillen des Barock. Geschwungene und kräftig
ausladende Formen ziehen auch in die Rahmenkunst ein.
 
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