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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Das Heim des Feldgrauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0279

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INNEN-DEKORATION

259

Acaa

Freilich war es uns zur Gewohnheit geworden, vom ge-
deckten Tisch zu essen, aber wir haben uns dann draußen
auch an das Gegenteil gewöhnt. Und doch jubelt es in
uns, wenn wir wieder vor unsern Tellern auf dem
weißen Linnen sitzen, und das Essen hat eine ganz andere
Weihe und ein feineres Aroma. Unser ganzes Wesen
schwenkt glückselig auf den häuslichen Rhythmus ein,
jede geringste Kleinigkeit freut uns und sagt uns, wie
sehr doch Haus und Wohnung in unser Wesen aufge-
gangen, ein Teil unserer selbst geworden war. Wahr-
haftig , ich habe draußen von den Tapeten des Wohn-
zimmers geträumt, die ich eigentlich nie angesehen hatte.
Und jetzt, wo ich das blecherne Klirren aus der Küche
wieder höre, weiß ich genau, daß ich gerade dieses gleich-
gültige, oder oftmals ärgerliche Geräusch doch die ganze
letzte Zeit entbehrt habe. Ich habe meine alten Füße
wieder, sowie ich auf den gewohnten Teppich trete. So
geht es weiter. Die Wohnung wird mir in einem ganz
neuen Sinne zum Heim, sie bewirkt, daß ich mich selbst

wiederfinde. Und merkwürdig, es stellt sich der alte
Tonfall der Rede wieder ein, und die Unterhaltung wird,
wie sie immer in diesen Räumen und Gängen war. Die
rohen Witze von draußen wollen einfach nicht von den
Lippen. — So ist es denn wahr, daß der Mensch der
Sklave seiner Möbel und Wohnung wird? Die Erfahrung
dieses Urlaubes scheint das zu bestätigen. Ist es ein
Zeichen von Spießbürgerlichkeit, dieses beinahe hündische
Glück des Wiedersehens mit toten Dingen? Ich will da
nicht streiten. Mein Empfinden sagt mir, daß doch auch
ein gewisser Prozentsatz von Edlem und Wertvollen in
dieser eigenartigen Erscheinung stecken muß, vor allem
aber gibt sie vielleicht recht nützliche psychologische
Aufschlüsse über das sonderbare Verhalten, daß so
viele sich von ihren alten, wenn auch geschmacklosen
Möbeln und Wohnungseinrichtungen nicht trennen können.
Das Moment der Schönheit wird schon sehr stark sein
müssen, wenn es das Moment der Vertrautheit besiegen soll!
Mit letzten Grüßen Ihr ergebener...........V. T.

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ARCHITEKT KARL PULLICH—STUTTGART. REICHGESCHNITZTER BIBLIOTHEKS-TISCH IN MATT EICHENHOLZ
 
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