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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Muthesius, Hermann: Einwirkung des Krieges auf die deutsche Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0321

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INNEN-DEKORATION

299

EINWIRKUNG
DES KRIEGES
AUF DIE DEUT-
SCHE BAUKUNST.
Die ungeheuren Geld-
opfer, die der Krieg
gefordert hat, werden
eine Andersgestaltung
aller wirtschaftlichen
Verhältnissenach Frie-
densschlußherauf brin-
gen. Es erscheint dann
aber fraglich, ob
schwebende Bauab-
sichten noch in der
früheren Weise durch-
geführt werden kön-
nen. Zwar sind Bau-
ten unbedingt nötig,
die Welt könnte nicht
weiterbestehen, wenn
nicht gebaut würde.
Aber es ist ein Unter-
schied, ob aus gefüll-
tem Geldsäckel heraus
gebaut wird, oder ob
die Mittel knapp sind.
Die Losung nach dem
Kriege wird sein, sich
einzurichten. — In
Deutschland ist in den
letzten zwanzig Jahren
mit dem Ersatz von
Bauten etwas eilig
vorgegangen worden.
Wer die Verhältnisse
in anderen Ländern
kennt, weiß, daß nir-
gends in der Welt mit
solcher freudigen Be-
reitwilligkeit zu Neubauten geschritten wurde wie in
Deutschland. Es liegt auf der Hand, daß wir nach dem
Kriege nicht in gleichem Schritt weitergehen können.
— Aber nicht nur zum langsameren, auch zum einfacheren
Bauen wird die Zeit nach dem Kriege nötigen. Ganz
abgesehen von der reichen Formentfaltung, die sich in
unseren Straßen vor dem Kriege bemerkbar machte, äußerte
sich vielfach ein übertriebener Luxus in der Verwen-
dung kostbarer Baustoffe. Werkstein, Marmor, Bronze,
Kupfer, edle Hölzer, Kunstkeramik waren bei größeren
Bauten eine Selbstverständlichkeit geworden. Ein Putz-
bau schien überhaupt nicht mehr zulässig zu sein.

Vom Standpunkte des Architekten wird eine gewisse
Opferwilligkeit des Bauherrn gewiß stets begrüßt werden.
Die Baukunst im höchsten Sinne ist aber von den äußeren
Mitteln so gut wie unabhängig. Gerade die Entwicklung
der letzten Jahrzehnte läßt uns dies erkennen. Die sich
in den siebziger und achtziger Jahren breit machende
Überladung mit Stuck und Zinkgußornamenten wurde
keineswegs dadurch gebessert, daß später echte Stoffe
verwendet wurden. Die Unkultur war noch ebenso vor-
handen wie vorher, ja sie trat vielleicht noch stärker da-
durch hervor, daß edle Materialien in unedle Formen ge-
kleidet wurden. Höchst lehrreich ist aber, zu beobachten,

GARTENTOR. NÜRNBERG, HINTER DER VESTE. AUFGEN. VON

daß auch der weitere
Schritt, berühmte Ar-
chitekten heranzuzie-
hen, nicht überall das
erwünschte gute Er-
gebnis gebracht hat.
Es genügt also weder
die Echtheit des Bau-
stoffes, noch der ge-
wandte Architekt, um
zu einem guten Bau
zu gelangen, sondern
ausschlaggebend vor
allem ist die Gesin-
nung, die in dem
Bauwerk niedergelegt
wird. Die sichere Emp-
findung für das Schick-
liche, das richtige Au-
genmaß für Zweck und
Ziel, die unaufdring-
liche gute Haltung sind
unerläßliche Vorbe-
dingungen. Und ge-
rade daran hat es in
derZeit des wirtschaft-
lichen Hochstan des vor
demKriege oft gefehlt.
Eine gewisse deutsche
Architektur - Richtung
hatte sich überdies in
eine Auffassung ver-
stiegen, die sich an
Kolossalität nicht ge-
nug tun konnte. Wa-
renhäuser , in denen
billige kleine Sachen
verkauft wurden, wur-
den in das feierliche
Gewand eines Sakral-
baues gekleidet, große Hallen sahen aus wie Katakomben-
säle. Eine Sucht nach dem Übermonumentalen, Aus-
schreitungen ins Ungeheuerliche, Unförmliche, ja Barba-
rische konnten nicht nur an Denkmälern, sondern auch
an Gebrauchsgebäuden täglich beobachtet werden. Ge-
rade in solchen Neigungen aber gibt sich das Unreife
einer Zeit zu erkennen. Sie bezeichnen einen Zustand,
der die zur Verfügung gestellten Mittel noch nicht mit
Anstand zu verwalten versteht. Nur der plötzlich Reich-
gewordene gefällt sich im Maßlosen, er weiß noch nicht,
daß auch der Reichtum zur Alltäglichkeit wird und daß
außerordentliche Mittel, die ihn zur Schau tragen helfen,
schlechte Lebensart bekunden. Solche Unausgeglichen-
heiten zeigten sich auch in der letzten deutschen Archi-
tektur. Das sonst höchst erfreuliche Bild, das der unleug-
bare Aufschwung im deutschen Kunstgewerbe, im Städte-
bau, im Landhaus- und Kleinbau, im Industrie- und
Fabrikbau gewährt, wird dadurch etwas beeinträchtigt.

Von diesem Standpunkte aus braucht uns die voraus-
sichtliche wirtschaftliche Beschränkung, unter deren
Zeichen die Jahre nach dem Kriege stehen werden, für
die deutsche Baukunst nicht zu erschrecken, sie kann
sogar erzieherisch wirken. Architektur an sich hängt
weder von kostbaren Baustoffen, noch von reicher Formen-

F. NAGEL

1817. VH./VIII. 6.
 
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