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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Renatus, Kuno: Zum vierten Jahre des Krieges
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0330

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308

INNEN-DEKORATION

GUSTAV GOERKE—BERLIN-BRESLAU

SPEISEZIMMER IM HERRENHAUS O. v. K.

ZUM VIERTEN JAHRE DES KRIEGES

Zu Beginn des neuen, nun schon vierten Kriegsjahres
ist es fast unvermeidlich, daß die Gedanken zurück-
gleiten zu jener ersten — man fühlt sich fast versucht zu
sagen Kinderzeit des Krieges, da alle die schönen Auf-
sätze geschrieben wurden über »Krieg und Kunst« und
andere erbaulichen Dinge. Was sollte damals der Krieg
nicht alles bringen: eine neue Kunst, eine neue Lyrik,
ein neues Drama — es gab keinen geistigen Inhalt, für
den der Krieg nicht der »Erneuerer« sein sollte. Solche
junggrüne Hoffnungen sind nun freilich gründlich ent-
täuscht worden, und wir können nicht einmal behaupten,
daß wir sonderlich traurig darüber sind. Heute, nachdem
man den Krieg drei Jahre kennt, hat man von feldgrauer
Lyrik, feldgrauer Dramatik, feldgrauer Malerei einen zu
begrenzten Vorgeschmack, als daß man noch große
Hoffnungen nähren möchte. Die Vorsilbe Kriegs- ist aus
den zahlreichen Produkten der Lebensmittelindustrie, wo
sie auf einen Surrogatwert hinweist, zu suspekt geworden,
als daß man von einer Kriegskunst noch besonderes er-
warten möchte. Der Krieg hat sich inzwischen als ein
verdammt ernstes und hartes und mechanisches und
nervenzerreibendes Vollbringen enthüllt, dem jeder soviel
Seele abgewinnen mag, als er selbst Seele im Busen
trägt, dem aber irgendwelche musische Produktivität
unmittelbar gewiß nicht zukommt. Jenes ganze Gerede
von »Krieg und Kunst«, als brauche der Künstler das

»Erleben des Krieges« nur in die betreffende Form-
sprache zu gießen, damit die neue Kunst da sei — er-
scheint uns heute bereits als der Ausdruck eines dilettan-
tischen und posierten Verhältnisses zur Kunst, recht der
Geistesart von Literaten entsprungen, die eigentlicher
künstlerischer Leidenschaft bar sind und vielmehr darauf
bedacht, die »Tagesfrage« literarisch auszuwerten. Die
wirklich Bedeutenden, welche draußen waren, wie Weis-
gerber, Franz Marc, haben dem Krieg einen Zutritt zu
ihrem Werk nicht verstattet. Für die große Menge aber
vom Kinogeschmack haben konjunkturbedachte Fabri-
kanten den Hurrakitsch produziert und damit Sorge ge-
tragen, daß in der Verödung des Geschmacks der Menge
nicht etwa durch den Ernst der Zeit eine Pause eintrete.
Wir freuen uns, daß das Publikum anfängt, der unver-
meidlichen eisernen Kreuze an allerhand unpassenden
Stellen langsam überdrüssig zu werden.

Heute nach drei Jahren ist in den dekorativen Künsten
die Lage die, daß die Bautätigkeit vollkommen ruht, daß
die großen Werkstätten für Innendekoration meist auf
Kriegslieferungen umgestellt sind, daß die Rohstoffe
mangeln und die meisten Handwerker, sowie auch sehr
viele Künstler zum Heer einberufen sind. In solcher Lage
enthüllt sich alles Gerede von einer »Erneuerung« von
selbst als Geschwätz; es ist schon eine ehrenwerte Lei-
stung, wenn das vor dem Kriege erreichte Niveau leben-
 
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