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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Renatus, Kuno: Zum vierten Jahre des Krieges
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0334

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312

INNEN-DEKORATION

GUST. GOERKE — BERLIN-BRESLAU

BÜCHERSCHRANK-NISCHE IM HERRENZIMMER

dig erhalten wird, wenn die Entwurfstätigkeit nicht voll-
kommen aufhören muß, wenn die Schulen weiterarbeiten,
wenn Ausstellungen zu gegenseitigem Vergleich an-
spornen und die Zeitschriften den Geist wach halten.

Obwohl wir heute einsehen, daß der Krieg als solcher
uns nicht um einen großen Sprung voranbringen wird,
daß wir genau da weiter arbeiten müssen, wo wir vorher
standen, und daß von allein nichts geschenkt wird —
haben wir doch anderseits das Gefühl, daß nach dem
Krieg alles irgendwie verändert sein wird. Man sage
nicht, daß »einfach die Entwicklung weiter gehen wird«.
Die »Entwicklung« ist ja selbst von allerlei Bedingungen
abhängig, und zu den Bedingungen der Entwicklung wer-
den auch die Wirkungen des Kriegs gehören. Fragt sich
nur wie. — Überlegen wir uns doch, wie es vorher war.
(Denn die Zeit vor dem Kriege ist uns bereits so ent-
rückt, daß wir nachdenken müssen, wie es eigentlich war.)
Als im Sommer 1914 auf der Werkbundtagung in Köln
Hermann Muthesius über den Stand der Bewegung
referierte, da legte er seinem Vortrag Thesen unter wie
die folgenden: »Der Deutsche Werkbund hat sein Augen-
merk darauf zu richten, die Vorbedingungen für einen
kunstindustriellen Export zu schaffen. Die Fortschritte
Deutschlands in Kunstgewerbe und Architektur sollten
dem Auslande durch eine wirksame Propaganda bekannt
gemacht werden. Solange eine geschmackvolle Allge-
meinhöhe nicht erreicht ist, kann auf eine wirksame Aus-

strahlung des deutschen Kunstgewerbes auf das Ausland
nicht gerechnet werden. Die Welt wird erst dann nach
unseren Erzeugnissen fragen, wenn aus ihnen ein über-
zeugender Stilausdruck spricht. Für diesen hat die bis-
herige deutsche Bewegung die Grundlagen geschaffen.
Nur mit der Typisierung, die als das Ergebnis einer heil-
samen Konzentration aufzufassen ist, kann wieder ein
allgemein geltender, sicherer Geschmack Eingang finden
usw.« Dieser Vortrag wurde am 3. Juli 1914 gehalten.
Vier Wochen später rollte der eiserne Vorhang der
Blockade an Deutschlands Grenzen nieder.

Gegen jene Sätze protestierte damals der an Jahren
nicht mehr so junge Van de Velde mit prächtigem jugend-
lichen Feuer, vom Individualismus des schaffenden Künst-
lers aus. Manchem, der kein Künstler war, erschien es
jedoch ganz plausibel, daß der Künstler »auch wirtschaft-
lich denken« solle. Ganz haben wir von der Gesinnung,
aus der jene Sätze geboren waren, erst durch den Krieg
Distanz erhalten. Wir übersehen jetzt, was da gefordert
war: Ausstrahlung des deutschen Kunstgewerbes auf das
Ausland, kunstindustrieller Export und, um ihn eingängig
zu machen, Beschneidung der individualistischen Form
durch Typisierung — das ist Imperialismus der Form.
Nicht als ob wir jede gesunde Expansion unserer Wirt-
schaft und damit auch unserer Kunstindustrie von vorn-
herein als Imperialismus bezeichnen wollten. Das Wesent-
liche an jener Gesinnung ist, daß die Rücksicht auf den
 
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