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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Renatus, Kuno: Zum vierten Jahre des Krieges
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0340

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318

INNEN-DEKORATION

gustav goerke —berlin-breslau

badezimmer im herrenhaus v. k.

uns schon in vielem die Augen geöffnet, was alles über-
flüssig und entbehrlich ist. Wenn doch auf irgend eine
Weise dem Volke ein Unterscheidungsvermögen dafür
zurückgewonnen werden könnte, was gutes Gerät ist,
ehrlicher, seiner Bestimmung entsprechender Hausrat
für den täglichen Gebrauch, und was dagegen der über-
flüssige Tand der »Kunstgegenstände« ist, hervorgebracht
von der literarischen Halbkultur des verbildeten Bürger-
tums. Das ist nun freilich so schnell nicht zu erwarten.
Immerhin ist zu hoffen, daß die Pflicht zu sparen, wie
sie unsere ganze Lebenshaltung bestimmen, so auch
den künstlerischen Ausdruck der Zeit beeinflussen wird.
Nicht etwa mit der Wirkung, daß sie die Verwendung
von Surrogaten an Stelle der teueren echten Materialien
befördern wird. Im Gegenteil, das Arbeiten mit unechtem
Material ist gerade das Kennzeichen reichgewordener,
parvenühafter Zeiten, welche dann sofort noch mehr vor-
täuschen wollen, als sie erreicht haben.

Hier wird nun sofort ein Bedenken sich einstellen.
Ist nicht gerade in unserer Zeit infolge der großen Ver-
mögensverschiebung ein neuer Stand emporgekommen,
welcher nach dem Kriege sich nicht genug tun wird, sich
protzig zu gebärden? Allerdings, wenn erst alle jene
Kriegslieferanten oft recht zweifelhafter Herkunft an-
fangen werden zu bauen und zu repräsentieren — es
könnte einem Angst werden. Vielleicht ganz gut, daß

sie zur Zeit nicht bauen können. Bis sie aber erst werden
anfangen zu bauen, ist vielleicht die Kriegsgewinnsteuer
so fühlbar geworden, daß sie vermutlich Anlaß nehmen
werden, ihren neugewonnenen Reichtum nicht allzu protzig
herauszustellen. Wahrscheinlich wird auch die Volks-
stimmung gegen die Kriegsgewinnler so empfindlich ge-
worden sein, daß diese besser tun werden, ihr wirtschaft-
liches Reüssieren nicht allzu schaustellerisch zu unter-
streichen. So könnte eventuell — welcher Optimismus!
— Bescheidenheit zur sozialen Klugheit werden, wo sie
als menschliche Qualität fehlt. — Überhaupt muß man
bedenken, daß es für die künstlerische Signatur einer Zeit
auf die einzelnen nicht ankommt. Daß die Gründerzeit
nach 70 so unsympathisch werden konnte, lag daran, daß
die einzelnen Reichgewordenen in einer allgemeinen
goldnen Atmosphäre schwammen, daß die ganze Zeit
sich einredete, der Aufschwung wäre gar nicht zu bän-
digen, und jeder einzelne müsse möglichst weltmännisch
und modern auftreten, um nicht zurückzubleiben. Wenn
in unserer Zeit auch einzelne Vermögen um ein vielfaches
von dem zugenommen haben, was die Gründerzeit an
Bereicherung brachte, so wird doch die allgemeine Mil-
liardenstimmung vermutlich ausbleiben. Ganz im Gegen-
satz vermuten wir, daß die Zeit nach dem Kriege unge-
fähr das genaue Gegenteil bringen wird von der Zeit
nach 70. Und das wäre sehr gut so. kuno mittenzwey.
 
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