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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT CHR. MUSEL- MAINZ
SPEISEZIMMER IM HAUSE EINES ARZTES
Man sagt, unsere gegenwärtigen Haus- und Möbel-
typen sind die zweckmäßigsten und bequemsten. Ich
möchte das bezweifeln. Aber selbst die Richtigkeit die-
ser Behauptung zugegeben, so fragt es sich doch sehr,
welche Zwecke wir im Auge haben, und ob Bequemlichkeit
wirklich das höchste Ziel für unsere Wohnungskunst ist.
Dem Künstler bliebe ja dann allerdings überhaupt kein
Feld mehr für freie räumliche Gestaltung. Soll er für sein
Geld Phantasiegebilde aufbauen lassen ? Ohne die Mög-
lichkeit des Verkauf s wird heute kein Kunstwerk geschaffen.
Aber es ist ja nur ein höchst verdammenswerter Aber-
glaube, daß unser ganzes Bau- und Einrichtungswesen
dem Götzen Bequemlichkeit zu dienen habe. Viel wert-
voller als die Vereinigung aller Bequemlichkeiten ist z. B.
ein stimmungsvolles, anregendes Heim, eine Umgebung,
die die Arbeit günstig beeinflußt, die den Augen wohl-
tut, die das häusliche Leben interessant und unterhaltsam
macht. Was hilft alle Bequemlichkeit, wenn ich mich in
den Räumen nicht wohl fühle? Wenn sie geisttötend
wirken? Es ist auch so ein unbesehen hingenommenes
Axiom, die Räume müßten um den Menschen herum-
gebaut werden; sie hätten sich seinem Wesen anzupassen.
Warum gehen wir denn in die Kirche? Doch deshalb,
um uns von dem fremdartigen Raum anregen, zur Samm-
lung und Erbauung stimmen zu lassen. Wenn unsere
eigenen Räume nichts unserm Wesen Fremdartiges haben,
Werden sie uns sehr bald langweilig und tot erscheinen.
Männer, die größte Verantwortungen tragen, die riesige
geistige Arbeit zu leisten haben, scheuen keine Ausgabe,
um ihre kostbare Zeit zu sparen, ihre geistige Konzen-
tration straff zu erhalten, ihre Gedanken in Schwung zu
setzen. Das Auto muß absolut geräuschlos laufen, nir-
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT CHR. MUSEL- MAINZ
SPEISEZIMMER IM HAUSE EINES ARZTES
Man sagt, unsere gegenwärtigen Haus- und Möbel-
typen sind die zweckmäßigsten und bequemsten. Ich
möchte das bezweifeln. Aber selbst die Richtigkeit die-
ser Behauptung zugegeben, so fragt es sich doch sehr,
welche Zwecke wir im Auge haben, und ob Bequemlichkeit
wirklich das höchste Ziel für unsere Wohnungskunst ist.
Dem Künstler bliebe ja dann allerdings überhaupt kein
Feld mehr für freie räumliche Gestaltung. Soll er für sein
Geld Phantasiegebilde aufbauen lassen ? Ohne die Mög-
lichkeit des Verkauf s wird heute kein Kunstwerk geschaffen.
Aber es ist ja nur ein höchst verdammenswerter Aber-
glaube, daß unser ganzes Bau- und Einrichtungswesen
dem Götzen Bequemlichkeit zu dienen habe. Viel wert-
voller als die Vereinigung aller Bequemlichkeiten ist z. B.
ein stimmungsvolles, anregendes Heim, eine Umgebung,
die die Arbeit günstig beeinflußt, die den Augen wohl-
tut, die das häusliche Leben interessant und unterhaltsam
macht. Was hilft alle Bequemlichkeit, wenn ich mich in
den Räumen nicht wohl fühle? Wenn sie geisttötend
wirken? Es ist auch so ein unbesehen hingenommenes
Axiom, die Räume müßten um den Menschen herum-
gebaut werden; sie hätten sich seinem Wesen anzupassen.
Warum gehen wir denn in die Kirche? Doch deshalb,
um uns von dem fremdartigen Raum anregen, zur Samm-
lung und Erbauung stimmen zu lassen. Wenn unsere
eigenen Räume nichts unserm Wesen Fremdartiges haben,
Werden sie uns sehr bald langweilig und tot erscheinen.
Männer, die größte Verantwortungen tragen, die riesige
geistige Arbeit zu leisten haben, scheuen keine Ausgabe,
um ihre kostbare Zeit zu sparen, ihre geistige Konzen-
tration straff zu erhalten, ihre Gedanken in Schwung zu
setzen. Das Auto muß absolut geräuschlos laufen, nir-