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INNEN-DEKORATION
Es ist gewiß kein Zufall, daß dieses Frauenhandwerk
in rauhen und allerrauhesten Zeiten zu so kostbaren Blüten
zu kommen pflegte. Man braucht nur zu erinnern an all
das, was in den Tagen der Kreuzfahrer in jenen Zeiten,
da das Rittertum in blu-
tigsten Händeln sich
zerfleischte, aus den
stillen Kemenaten, ewig
berückend, hervorge-
gangen ist. Aus dem
Eisernen der Zeit war
es ein Flüchten in die
Schönheit des edel Ge-
formten.inbestrickende
Spiele der Phantasie.
Auch das war nur mög-
lich, weil eine große
Empfänglichkeit der
Herzen da war, weil
über den Untergrund
des Technischen hinaus
Empfindung Form wer-
den sollte. — Wo aber
wäre solche Empfin-
dung mehr gebraucht
als bei den textilen
Frauenkünsten? Da,
wo ohne solches Fühlen
gestichelt wird, kann
das Ergebnis nichts an-
deres denn Stichelei
sein. Solch Handwerk,
das nur Mache der
Hände ist, läßt unfroh.
Aber bei der Selbst-
erziehung, die an den
Textilkünsten zu beob-
achten ist, scheint diese
JOSEF HOFFMANN—WIEN. SESSEL. STICKEREI: MELITTA LOFFLER—WIEN
Gefahr der Veräußerlichung kaum vorhanden. Im Gegen-
teil. War die Entwicklung, deren Zeugen wir in den
letzten Jahren gewesen, nicht gerade hartnäckiger Kampf
gegen eine frühere Veräußerlichung des Nadelwerks, wie
es oberflächlich genug
betrieben worden war ?
Es will doch scheinen,
als ob immer deutlicher
ein Neuaufblühen
dieser textilenKün-
ste erkennbar würde,
als ob die mannigfach-
sten Triebe ansetzten,
als ob da Wille wäre,
der mit aller Gewalt
nachAuswirkung streb-
te. Und das allsei-
tige Streben nach
einem neuen For-
mengehalt, das Be-
gehren, sich auf an-
dere, auf stärkere
Weise auszudrük-
ken, als es vordem
der Fall gewesen,
ist- das alles nicht An-
zeichen genug für ein
neues Leben, das ir-
gendwie an den Tag
will ? ! PAUL WESTHEIM.
*
So möchte ich im
allgemeinen vom
Künstler sagen: Er soll
über das Schöne nicht
nachdenken, sondern
nachgedacht haben. —
.............GOETHE.
INNEN-DEKORATION
Es ist gewiß kein Zufall, daß dieses Frauenhandwerk
in rauhen und allerrauhesten Zeiten zu so kostbaren Blüten
zu kommen pflegte. Man braucht nur zu erinnern an all
das, was in den Tagen der Kreuzfahrer in jenen Zeiten,
da das Rittertum in blu-
tigsten Händeln sich
zerfleischte, aus den
stillen Kemenaten, ewig
berückend, hervorge-
gangen ist. Aus dem
Eisernen der Zeit war
es ein Flüchten in die
Schönheit des edel Ge-
formten.inbestrickende
Spiele der Phantasie.
Auch das war nur mög-
lich, weil eine große
Empfänglichkeit der
Herzen da war, weil
über den Untergrund
des Technischen hinaus
Empfindung Form wer-
den sollte. — Wo aber
wäre solche Empfin-
dung mehr gebraucht
als bei den textilen
Frauenkünsten? Da,
wo ohne solches Fühlen
gestichelt wird, kann
das Ergebnis nichts an-
deres denn Stichelei
sein. Solch Handwerk,
das nur Mache der
Hände ist, läßt unfroh.
Aber bei der Selbst-
erziehung, die an den
Textilkünsten zu beob-
achten ist, scheint diese
JOSEF HOFFMANN—WIEN. SESSEL. STICKEREI: MELITTA LOFFLER—WIEN
Gefahr der Veräußerlichung kaum vorhanden. Im Gegen-
teil. War die Entwicklung, deren Zeugen wir in den
letzten Jahren gewesen, nicht gerade hartnäckiger Kampf
gegen eine frühere Veräußerlichung des Nadelwerks, wie
es oberflächlich genug
betrieben worden war ?
Es will doch scheinen,
als ob immer deutlicher
ein Neuaufblühen
dieser textilenKün-
ste erkennbar würde,
als ob die mannigfach-
sten Triebe ansetzten,
als ob da Wille wäre,
der mit aller Gewalt
nachAuswirkung streb-
te. Und das allsei-
tige Streben nach
einem neuen For-
mengehalt, das Be-
gehren, sich auf an-
dere, auf stärkere
Weise auszudrük-
ken, als es vordem
der Fall gewesen,
ist- das alles nicht An-
zeichen genug für ein
neues Leben, das ir-
gendwie an den Tag
will ? ! PAUL WESTHEIM.
*
So möchte ich im
allgemeinen vom
Künstler sagen: Er soll
über das Schöne nicht
nachdenken, sondern
nachgedacht haben. —
.............GOETHE.