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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Kraft, Leonhard: Architekt Emil Meves - Cöln
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0383

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INNEN-DEKORATION

361

Werke waren, wo die fremde An-
regung sich mit eigenem starken
Können zusammenfand. Aber aus
dem Strom der Schaffenden ragen
auch solche hervor, in denen der
persönliche Sonderwille von vorn-
herein die Vorhand behielt und,
fremde Anlehnung verschmähend,
in heimischer Art — dieser Begriff
im weitesten Sinne genommen —
stark zu werden sich mühte. — Zu
diesen Künstlern gehört auch der
Architekt Emil Meves— Cöln, ein
noch junger, im Anfange der drei-
ßiger Jahre Stehender, dem es
glückte in Mülheim a. Rh. — heute
mit Cöln vereinigt —, dank der
ideellen und reichlichen materiellen
Förderung durch seine Bauherren,
zwei Werke erstellen zu können,
die beredtes Zeugnis von ernstem
künstlerischem Streben ablegen.
Meves ist ein Schüler von Billing;
es tritt das bezeichnender Weise
da zu Tage, wo er eine gewisse
monumentale Wirkung zu erreichen
beabsichtigt, so an der Hauptfas-
sade des Hauses Paul Martin und
der Straßenansicht des Mülheimer
Stadtparkhauses. — Jenes Haus
Paul Martin, ein stattliches Ein-
familienhaus vornehmster Art, bürgerlich im besten Sinne,
wurde 1913 auf dem im Mittelpunkte der alten Industrie-
stadt Mülheim a. Rh. neu erschlossenen Baugelände, das
in der unmittelbaren Nähe des Stadtgartens herrschaft-
liche Villen aufnimmt, errichtet. Die Hauptfront des an
einer Straßenkreuzung liegenden und mit einem Kosten-
auf wände von 200 000 Mark — den Geländeerwerb nicht
eingerechnet — erbauten Hauses ist denn auch diesem
Stadtparke zugekehrt und gibt in Umriß und Gliederung
ein durchaus einheitliches harmonisches Bild, in welchem
besonders die geschlossene Dachform und das friesartig
gehaltene und kräftig modellierte Obergeschoß über dem
schlichten Untergeschoß mitsprechen. Der symmetrische
Aufbau prägt in seiner vornehmen Ruhe sehr glücklich
den Gedanken der vornehmen Einzelprivatwohnung aus,
dabei wirksam von der geschickten Materialbehandlung —
Westerwälder Trachyt und Tuffsteinverkleidung — unter-
stützt. Weniger ist diese innere Geschlossenheit auf der
Gartenseite zu finden, wo Herren- und Dienerwohnung,
letztere noch mit Nebenräumen vereinigt, sich verbinden.
Das Motiv des großen Dielenfensters, mit dem Giebel-
aufbau darüber, wirkt besonders im Zuge der nach der
Eingangsecke zu sich abstuf enden Linie nicht beherrschend
genug. Der Gedanke, die strenge Gliederung des Haupt-
baues aufzulösen, um so ungezwungener zu den kleinen
Formen eines Nebengebäudes überzuleiten, liegt in sol-
chen Fällen um so verführerischer nahe, als dem die
Grundrißbildung immer entgegenkommen wird. Umso
größer aber sind die Gefahren, welche dann der künst-
lerischen Gesamtwirkung drohen. Im Innern ist die Diele,
deren Deckenbildung an ein beliebtes rheinisches Motiv
anklingt, von einfach-ruhiger Wirkung, zu welcher die
Täfelung in deutscher Eiche einen Zug behaglicher Wohn-

PROFESSOR FRANZ SEECK. »VORPLATZLATERNE

lichkeit beiträgt. — Die zweite
Schöpf ungMeves am gleichenOrte,
jenes 1914 erbaute Gartenhaus der
Stadt Mülheim, verdankt seine
Entstehung privater Opferwillig-
keit, welche die Mittel für den
Bau hergab. Es sollte für das den
Stadtgarten besuchende Publikum
ein schattiger Ruheplatz und ein
Zufluchtsort geschaffen werden,
daneben in einem Untergeschosse
Räume für Toilette und Gartenge-
räte, im Obergeschosse eine Gärt-
nerwohnung. Soweit entbehrte das
Programm nicht der notwendigen
Einheitlichkeit; erschwerend aber
trat hinzu, daß das Gebäude an
den Eingang zum Stadtgarten zu
stehen kam und diesen monumental
betonen mußte. Der Gartenhaus-
charakter sollte baulich auf dieser
Seite eine Steigerung erfahren, da-
mit sich das Gebäude gegenüber
späteren, in dieser Gegend ent-
stehenden Gebäuden würde be-
haupten können. Diesen Erwäg-
ungen verdankt der Treppenhaus-
turm, im Aufbau und Umriß un-
verkennbar Karlsruher Reminiszen-
zen verratend, seine Entstehung.
Der Gedanke liegt aber zu nahe,
daß dieses starke, rein dekorative Herausheben eines an
und für sich untergeordneten inneren Motivs — der Zu-
gang zur Angestelltenwohnung im Dachgeschoß — hier
eine Lücke zwischen äußerer Form und innerer Begrün-
dung klaffen läßt, zumal auch die Verschmelzung dieses
aufstrebenden Mittelteils, dessen Vertikaltendenz noch
besonders durch die Pilastergliederung unterstrichen wird,
mit der breit gelagerten Masse des Hauptbaues nicht zu
einem restlosen Ineinanderaufgehen geführt hat. Ganz
anders ist es mit der dem Garten zugekehrten Seite. Hier
stört nichts die einheitliche Geschlossenheit, und der Bau-
gedanke des großen Gartenhauses findet hier einen selten
schönen Ausdruck. Der einfache Umriß der Dachform
über dem breiten, glatten Friese, die durch ein reizvolles
Motiv getriebener Eisenarbeit verbundenen schlichten
Säulen und der zierliche Lauf brunnen geben ein Zug um
Zug harmonisch zusammenfließendes Bild, das durch die
beiderseits anschließenden Laubgänge ungezwungen in
die Landschaft überleitet und malerische Architektur
bester Art darbietet. Das Ganze ist zweifellos ein schönes
Zeugnis für die künstlerische Gestaltungsfähigkeit des Ar-
chitekten geworden. Unbedenklich mag diese Schöpfung,
wie sie sich vom Stadtparke her zeigt, als reifste seiner Ar-
beiten angesprochen werden. Nur wer über die Grammatik
und Syntax einer Sprache hinaus vorgeschritten ist, ver-
mag auch in dieser zu denken; das gilt voll und ganz für
die Sprache der Kunst, die nur meistert, wer über Form-
bildung und Materialbehandlung hinweg das Bildungs-
gesetz des Raumes erfaßt hat, mag es nun der ge-
schlossene Innenraum oder der erweiterte Freilichtraum
sein. Hier liegt das Kriterium für den Architekten, der
sich vor den Klippen rein malerischer Absichten hüten

muß.............DR. LEONHARD KRAFT—DARMSTADT.
 
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