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Jäger, Hermann
Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt: Handbuch für Gärtner, Architekten und Liebhaber — Berlin, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.20105#0538

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516 Wissenschaftlichen und anderen Zwecken dienende Gärten.

V. Aie Wrrrteivgärtterr.

Seitdem man angefangen hat, fremde Pflanzen aus füdlichen Gegenden in geheizten
Ränmen zu ziehen und dnrch die nordischen Winter zu bringen, besteht auch das Bestreben,
solche Räume schön und für den Anfenthalt angenehm einzurichten. Die Sage erzählt,
daß bereits Albert der Große (^ldertuL inn^nus) als Erzlnschof von Köln im 13. Jahr-
hundert dem erwählten deutschen König und rvmifchen Kaiser in einem Wintergarten im
Januar ein Gastmahl veranstaltet habe, wo man von blühenden Bänmen umgeben war.
Als den ersten Wintergarten kann man den schon 1676 gegründeten des Bürgermeisters
von Gench de Blaseze, an seinem Schlosse Helleboys betrachten, welcher besonders in Eng-
land Nachahmung sand, und wo die erste Anlage durch bessere Glashäuser verbessert wurde.
Auch standen dort die fremden Pflanzen im freien Grnnde, was in Helleboys nicht der
Fall war. An Fürstenhöfen wurden Wintergärten eine fast allgemeine Einrichtung, wenn
sie auch nur aus einem an den Wänden und Decken bemalten Orangeriehause bestanden.
Den größten hatte wohl ein Herzog von Württemberg im 18. Jahrhundert, welcher zn
Hvffesten in Ludwigsburg einen ganzen Hof mit Glas überdachen und mit Orangerie-
bämnen und anderen Pflanzen in einen Garten verwandeln ließ. Später, als die Palmen
in den Glashäusern häufiger und in großen Exemplaren vorhanden waren, benutzte man
als Wintergärten besonders große Warmhänser, wo auch die Temperatur angenehmer zu
längerem Aufenthalte war. Diese Glashänser, welche nun den Namen Wintergärten erhielten,
hatten in ihrer Einrichtung wenig Künstlerifches, und man begnügte sich mit einem Spring-
brunnen, einem Miniaturwasserfalle über einen kleinen Tuffsteinfelsen rc. Die Nachahmung
der Natur war eine sehr kleinliche, wie es bei beschränkter Räumlichkeit und ungenügendem
Pflanzenmaterial nicht anders möglich war. Den ersten großen Wintergarten, welcher diefen
Namen verdiente, legte vor der Mitte dieses Jahrhnnderts der schon genannte Joseph
Paxton in Chatsworth an, als er noch Direktor der Gärten des Herzogs von Devonshire
war. Das dazn bestimmte riesige Glashaus war das Vorbild des sogenannten Krystall-
palastes, in welchem die erste Weltansstellung in London abgehalten wurde. Nenerdings
wird der Wintergarten des Königs der Belgier in Laeken bei Brüssel als der größte und
prunkvollste betrachtet. Es ist ein hoher Rnndbau, dessen Kuppel ans 36 Steinsäulen
ruht, und außerhalb dieser Rotunde schließen sich gernndete niedrigere Glashäuser mit
gebogenen Gängen an. Während der Mittelbau mehr salonmäßig eingerichtet ist, und
sast nur große Palmen enthält, bildet die Umgebung eine Art tropische Wildnis. Von
einer in der Knppel hinlaufenden Galerie übersieht man das Ganze, eine Einrichtung, die
auch in den meisten großen Palmenhäusern vortommt. Jn Dentschland verdienen der
Wintergarten des Palmengartens in Frankfurt, aus welchem Fig. 243 eine Ansicht zeigt, und
der im koniglichen Schloß in Charlottenburg bei Berlin, Fig. 244, erwähnt zu werden. Der
Wintergarten des Königs Ludwig II. von Bayern anf dem Königsban des Residenzschlosses
in München, welchen früher niemand als die dabei beschästigten Gärtner zu sehen bekamen,
soll unter allen derartigen Anlagen am meisten einem Parkgarten im Freien gleichen.
Nach dem Tode des romantischen Königs erfahren wir, daß er außer der dahinsührenden
Säulenhalle 200 in lang nnd etwa 30 m breit ist, indische Kioske von Bambns und
Seide in prachtvoller Einrichtung, einen See mit scheinbar von Schwänen gezogenen
Schiffchen enthielt und annähernd den Garten eines indischen Fürsten vorstellen sollte, zn
welchem Zwecke ans einer Wand ein Panorama des Himalayagcbirges angebracht ist.
 
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