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Zur Baugeschichte des Ordenshaupthauses Marienburg in Preussen.
Remter15). Selbst die Anlage des Corridors16) ist in Marienburg ganz ähn-
lich den Zugängen in Liechfield, Wells und York. — Trotz dieser Vorbilder
aber bleibt der Marienburger Remter nicht minder gross und bewunderungs-
würdig und durchaus original17). Die Idee der Gesammtanlage ist von den
schon ein Jahrhundert früher in England ausgeführten Bauten, vielleicht auf
besonderen Wunsch des Hochmeisters, entlehnt, aber die Ausführung ist
durchaus verschieden, wie ein Vergleich sowohl der inneren als der äusseren
Ansichten jener polygonen Capitelhäuser mit Marienburg zeigt. — Der Archi-
tekt desselben — sein Name ist uns leider nicht erhalten — kannte genau
Klima und Material des Landes, in welchem, die Bedürfnisse dessen,
für den er baute. Er hatte bedeutende technische Kenntnisse, viel Erfahrung
und war künstlerisch hoch begabt, denn er hat kühner construirt18) als
alle seine Vorgänger in Preussen, und hat die schon vorhandenen tekto-
nischen Detailformen vervollkommnet. Sein Werk hat nichts Fremdes an
sich, ist vielmehr durchaus organisch und consequent als weitere
Ausbildung der schon vorhan denen B auten, namentlich des Convents-
Remters, in genialer Weise entwickelt worden, ist in jeder Beziehung seinem
Zweck entsprechend und künstlerisch im höchsten Grade bedeutend. Wir
haben also in dem zur Zeit der höchsten Macht und des Glanzes des Ordens,
unter dem grössten seiner Hochmeister ausgeführten, der Würde des Meisters
entsprechenden Prachtsaal zugleich die Spitze der gesummten Ordens-
Baukunst in Preussen, vielleicht den vollkommensten aller Profanbauten
des ganzen Mittelalters.
15) Vergl. den Grundriss bei Büsching, Schloss Marienburg (Berlin 1823).
16) Winkles I, pag. 8, 43, 64, 86, 164 und Vol. II, pag. 12.
- 17) Vergl. das Gutachten Schinkel’s in Wolzogen, Aus Schinkel’s Nachlass
(Berlin 1863), Bd. III, Seite 213.
18) Die vielbewunderte Unterbrechung der massiven Strebepfeiler aus Ziegel-
mauerwerk durch schlanke Granitpfeiler (Büsching, Marienburg, Seite 63, und Frick
a. a. 0., taf. IX und XII) findet sich, aus viel älterer Zeit, schon an der Kathedrale
S. Jean zu Sens. Siehe die aus Viollet-le-Duc entnommene Abbildung in Lübke,
Gesch. der Baustyle (Leipzig 1868), Seite 81.
Nürnberg.
R. Bergau.
Zur Baugeschichte des Ordenshaupthauses Marienburg in Preussen.
Remter15). Selbst die Anlage des Corridors16) ist in Marienburg ganz ähn-
lich den Zugängen in Liechfield, Wells und York. — Trotz dieser Vorbilder
aber bleibt der Marienburger Remter nicht minder gross und bewunderungs-
würdig und durchaus original17). Die Idee der Gesammtanlage ist von den
schon ein Jahrhundert früher in England ausgeführten Bauten, vielleicht auf
besonderen Wunsch des Hochmeisters, entlehnt, aber die Ausführung ist
durchaus verschieden, wie ein Vergleich sowohl der inneren als der äusseren
Ansichten jener polygonen Capitelhäuser mit Marienburg zeigt. — Der Archi-
tekt desselben — sein Name ist uns leider nicht erhalten — kannte genau
Klima und Material des Landes, in welchem, die Bedürfnisse dessen,
für den er baute. Er hatte bedeutende technische Kenntnisse, viel Erfahrung
und war künstlerisch hoch begabt, denn er hat kühner construirt18) als
alle seine Vorgänger in Preussen, und hat die schon vorhandenen tekto-
nischen Detailformen vervollkommnet. Sein Werk hat nichts Fremdes an
sich, ist vielmehr durchaus organisch und consequent als weitere
Ausbildung der schon vorhan denen B auten, namentlich des Convents-
Remters, in genialer Weise entwickelt worden, ist in jeder Beziehung seinem
Zweck entsprechend und künstlerisch im höchsten Grade bedeutend. Wir
haben also in dem zur Zeit der höchsten Macht und des Glanzes des Ordens,
unter dem grössten seiner Hochmeister ausgeführten, der Würde des Meisters
entsprechenden Prachtsaal zugleich die Spitze der gesummten Ordens-
Baukunst in Preussen, vielleicht den vollkommensten aller Profanbauten
des ganzen Mittelalters.
15) Vergl. den Grundriss bei Büsching, Schloss Marienburg (Berlin 1823).
16) Winkles I, pag. 8, 43, 64, 86, 164 und Vol. II, pag. 12.
- 17) Vergl. das Gutachten Schinkel’s in Wolzogen, Aus Schinkel’s Nachlass
(Berlin 1863), Bd. III, Seite 213.
18) Die vielbewunderte Unterbrechung der massiven Strebepfeiler aus Ziegel-
mauerwerk durch schlanke Granitpfeiler (Büsching, Marienburg, Seite 63, und Frick
a. a. 0., taf. IX und XII) findet sich, aus viel älterer Zeit, schon an der Kathedrale
S. Jean zu Sens. Siehe die aus Viollet-le-Duc entnommene Abbildung in Lübke,
Gesch. der Baustyle (Leipzig 1868), Seite 81.
Nürnberg.
R. Bergau.