Zum Leben Raffaels.
Lodovico di Canossa und die „Perle“.
Die Weltgeschichte ist nicht in das Leben RaffaelSanzio's eingetreten,
wie in das Leben Michel Angelo Buonarroti’s. Die Biographie des Urbi-
naten ist kein ereignissreiches Drama wie die des grossen Florentiners.
Aber sie bietet uns wie wenige andere eine Reihe der interessantesten
Bildnisse dar, denn im Zeitalter Leos X. ist Rom an bedeutenden Persön-
lichkeiten reicher gewesen als vielleicht in irgend einer andern Zeit, und
Raffael hat alle an sich herangezogen. Lodovico di Canossa gehörte zu
ihnen. Er stammte aus einer vornehmen heute noch blühenden Familie
Veronas, wo man den grossartigen Palast sieht, welchen Michele Sanmicheli
für ihn begann, für seinen Neffen Galeazzo beendete. Im Jahre 1476 ge-
boren, brachte er einen Theil seiner Jugend in Mantua zu, der Heimat sei-
ner Mutter, der Tochter einer Gonzaga. Hier lernte er Baldassar Castig-
lione kennen, mit dem er mütterlicherseits verwandt war. Zwanzigjährig
kam er an den Hof von Urbino, wo er in dem Buche Castiglione’s, „II Cor-
tegiano“, welchem dieser Hof wesentlich seinen Ruhm verdankt, als einer
der vornehmsten Interlocutoren erscheint*). Im Auftrag Herzog Guidubal-
do’s ging er nach Rom, wo wir ihn in Julius II. Zeit finden. Der Papst ge-
wann den tüchtigen Mann für die Kirche, verlieh ihm im Jahre 1511 das
Bisthum Tricarico und zwei Abteien, zog ihn zu dem Lateranischen Concil,
welches der bedrohlichen französischen Opposition in den Weg trat. Ca-
nossa war es, der Pietro Bembo’s und Castiglion’es Interesse in Rom för-
derte und Erstem mit Julius’ Günstling Cardinal Alidosi in Verbindung
brachte, wodurch sein Eintritt in seine nachmals glänzende Laufbahn ver-
*) Ernst Förster, welcher in seinem „Raphael“ Canossa zum Bischof von
„Bajou“ macht, bringt den schmutzigen Pietro Aretino, der damals, 1506, sechzehn
Jahre alt war, an den Hof der Feitrier. Es ist eine freilich schwer zu erklärende
Verwechslung mit dem ,,Unico Aretino“, Bernardo Accolti, den der Autor ja wenige
Zeilen später selbst nennt! Bembo und Bibbiena sind bei ihm schon im Jahre 1506
Cardinale.
Lodovico di Canossa und die „Perle“.
Die Weltgeschichte ist nicht in das Leben RaffaelSanzio's eingetreten,
wie in das Leben Michel Angelo Buonarroti’s. Die Biographie des Urbi-
naten ist kein ereignissreiches Drama wie die des grossen Florentiners.
Aber sie bietet uns wie wenige andere eine Reihe der interessantesten
Bildnisse dar, denn im Zeitalter Leos X. ist Rom an bedeutenden Persön-
lichkeiten reicher gewesen als vielleicht in irgend einer andern Zeit, und
Raffael hat alle an sich herangezogen. Lodovico di Canossa gehörte zu
ihnen. Er stammte aus einer vornehmen heute noch blühenden Familie
Veronas, wo man den grossartigen Palast sieht, welchen Michele Sanmicheli
für ihn begann, für seinen Neffen Galeazzo beendete. Im Jahre 1476 ge-
boren, brachte er einen Theil seiner Jugend in Mantua zu, der Heimat sei-
ner Mutter, der Tochter einer Gonzaga. Hier lernte er Baldassar Castig-
lione kennen, mit dem er mütterlicherseits verwandt war. Zwanzigjährig
kam er an den Hof von Urbino, wo er in dem Buche Castiglione’s, „II Cor-
tegiano“, welchem dieser Hof wesentlich seinen Ruhm verdankt, als einer
der vornehmsten Interlocutoren erscheint*). Im Auftrag Herzog Guidubal-
do’s ging er nach Rom, wo wir ihn in Julius II. Zeit finden. Der Papst ge-
wann den tüchtigen Mann für die Kirche, verlieh ihm im Jahre 1511 das
Bisthum Tricarico und zwei Abteien, zog ihn zu dem Lateranischen Concil,
welches der bedrohlichen französischen Opposition in den Weg trat. Ca-
nossa war es, der Pietro Bembo’s und Castiglion’es Interesse in Rom för-
derte und Erstem mit Julius’ Günstling Cardinal Alidosi in Verbindung
brachte, wodurch sein Eintritt in seine nachmals glänzende Laufbahn ver-
*) Ernst Förster, welcher in seinem „Raphael“ Canossa zum Bischof von
„Bajou“ macht, bringt den schmutzigen Pietro Aretino, der damals, 1506, sechzehn
Jahre alt war, an den Hof der Feitrier. Es ist eine freilich schwer zu erklärende
Verwechslung mit dem ,,Unico Aretino“, Bernardo Accolti, den der Autor ja wenige
Zeilen später selbst nennt! Bembo und Bibbiena sind bei ihm schon im Jahre 1506
Cardinale.