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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Hartwig, Paul: Der Tod des Pentheus
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0165
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Hartwig, Der Tod des Pentheus.

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einher zu schwärmen, und Pentheus, den Herrscher Thebens, Agaues und Echions
Sohn, welcher sich der neuen Lehre widersetzt, dadurch straft, dafs derselbe, von
Wahnsinn erfafst, in Weiberkleidern sich unter die Schaar der Bakchen mischen
mufs und von ihnen, in erster Linie von seiner eigenen Mutter Agaue und deren
Schwestern, in Stücke zerrissen wird.
Der Moment der Sage, welchen die drei genannten unteritalischen Vasen-
bilder und in der Mehrzahl auch die andern Monumente zur Darstellung gewählt
haben, ist die letzte Scene: der Vollzug der Strafe an Pentheus durch die Maenaden.
Jedoch ist nicht sowohl das Zerreifsen des Pentheus, welches die literarischen Quellen
zum Theil mit grausiger Kraft schildern, sondern vielmehr der Angriff der rasenden
Weiber und das Sichzurwehrsetzen des Pentheus dargestellt. Auf einen Zug der
vom Drama ausgestalteten Pentheussage verzichten die Monumente, mit Ausnahme
eines einzigen, der Silberplatte im Collegio Romano (Arch. Ztg. 1867 Taf. 225, 1),
nämlich auf die Verkleidung des Pentheus in weibliche Tracht. Vielmehr erscheint
er auf den drei unteritalischen Vasen durchgehend mit Trutzwaffen, Schwert und
Lanze, auf der Calener Reliefschale (Arch. Ztg. 1874 Taf. 7, 3) auch mit dem Schilde
bewehrt. Die Maenaden tragen ebenfalls auf mehreren der genannten Monumente
schneidende Waffen. Die Lokalität, der waldige Kithairon, pflegt durch Bäume, be-
ziehentlich auch durch Felsgestein angedeutet zu sein. Wenn auch in keinem Falle
einer der Maenaden auf den Vasenbildern ein Name beigeschrieben ist, so war
doch Jahn vollständig berechtigt, in den Figuren, welche dem Pentheus am nächsten
stehen, sagen wir den Protagonisten, die Kadmostöchter, Agaue, Ino und Autonoe,
zu erkennen. Diese Auffassung wird in zwei Fällen, auf den Schalen in Neapel
und in der Sammlung Jatta, noch besonders dadurch nahe gelegt, dafs die Mae-
naden, welche den Pentheus zerreifsen, in der Dreizahl auftreten. Sonst stand dem
Vasenmaler kein anderes Mittel, als die Beischrift der Namen, zur Verfügung, um
seine Maenaden als die zu Maenaden gewordenen Königstöchter zu charakterisiren.
Zeitlich aufwärts reiht sich zunächst eine weitere Darstellung vom Tode des
Pentheus auf dem Deckel einer grofsen Pyxis im Louvre an. Der Deckel stammt
aus der Sammlung Campana, Serie IV no. 761. Oben auf dem Deckel sitzt ein
Knopf, unterhalb dessen sich ein Eierstab-Band befindet; ein gleiches Band schliefst
sich um den äufseren Rand des Deckels. Unsere Abbildung auf S. 156 giebt die
Darstellung des Deckels in ]/2 der Gröfse des Originals.
Der Stil des Vasenbildes ist der völlig frei-schöne um die Wende des
5. und des 4. Jahrhunderts. Pentheus jugendlich, mit dem Schwert bewaffnet, von
dem er jedoch keinen Gebrauch macht, wird von zwei Maenaden an den Armen
und am linken P'ufse gepackt; zwei weitere Maenaden, von denen die eine einen
Thyrsosstab trägt, eilen herbei, um ebenfalls an dem Racheakt Theil zu nehmen5.
Wir werden auch hier in den Maenaden unbedenklich die drei Kadmostöchter und

5) Die Maenade rechts von Dionysos zeigt in
ihrem weiten Schreiten eine gewisse, natürlich

rein zufällige Ähnlichkeit mit der Niobide
Chiaramonti; siehe Overbeck, Plastik II Fig. 106.
 
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