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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Milchhöfer, Arthur: Dike
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0216
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206

Milchhoefer, Dike.

nimmt, wiewohl er selber das Schwertattribut als »das primäre« nachweist. Sollte
»die ‘Benutzung eines Originales in einem anderen Sinne als dem ursprünglichen«
auch wirklich »verhältnifsmäfsig selten« und »in der Regel ausgeschlossen«
sein, so eignet sich Flasch’s Rückschlufs in dem vorliegenden Falle doch wenigstens
nicht mehr als Hauptargument. Aber sind denn die Fälle von Motivübertragungen
in der That so selten? Bilden diese nicht vielmehr ein so umfangreiches Kapitel
der griechischen Kunstgeschichte, dafs ich befürchten miifste, es durch Beschrän-
kung auf einzelne Beispiele hier nur herabzusetzen?
Ebensowenig kann ich zugeben, dafs der Münchener Dionysostypus und der-
jenige der epidaurischen Statue »in gegenseitigem Bezug« erfunden (anstatt ausge-
wählt und angepafst) seien. Letzterer ist meiner Meinung nach erheblich älter, der
erstere jünger, als Flasch annimmt7.
Ein Hindernifs für die richtige Erklärung unseres Bildwerkes lag bis jetzt
offenbar in der Voraussetzung, dafs ein Wesen in so gefälliger Tracht (der dünne
Chiton ist von der rechten Schulter und Brust herabgesunken) nur entweder ein
aphrodisisches, oder ein bacchisches sein könne. Man hat darüber einen Kreis
jugendlicher Gestalten vergessen, deren Bekleidung gleichfalls nur das leichte, die
Formen ausprägende, oft enthüllende Untergewand und das weite Flimation zu sein
pflegt. Man könnte bereits auf die Kunst Polygnots und die Giebelskulpturen am
Parthenon zurückgehen; aber nähere Analogieen bieten doch noch die Nike-
gestalten dar, von der des Paionios und der Balustradenreliefs (vgl. insbes. die
»Sandalenbinderin«) bis zu der Nike von Brescia. Abgewandelt aus einem Nike-
typus kennen wir bereits Eirene, eine Schwester der Dike, wenigstens aus den
Münzen von Lokroi (inschriftlich; s. »Bonner Studien« Taf. IV), welche Kalkmann
(a. a. O. S. 38 fg.) zu dem Versuche ermunterten, auch die »Barberinische Schutz-
flehende« auf Eirene zu deuten. Dieselbe Verwandtschaft der Idee, welche von
dem Ideal der ruhenden Siegesgöttin zu dem der Friedensgöttin hinüberleitet, be-
steht in noch höherem Grade zwischen Nike und Dike, der Schwester der Eirene,
ebenfalls einer der »Schönsten der Göttinnen«. Unwillkürlich, aber gewifs nicht in
antikem Sinne, denkt man sich Dike wohl als Repräsentantin des »Rechtes«, oder
gar der »Gerechtigkeit« und erwartet sie deshalb vielleicht strenger gebildet zu
sehen. Aber diesen Begriffen würde viel eher Themis entsprechen. Dike ist, ganz
wie Nike, nur Vollstreckerin; sie verhält sich zu Themis und Zeus ganz analog
wie Nike zu Athena und Zeus, ja man könnte Nike als die eilende Dike des Wett-
kampfes und des Krieges bezeichnen, wie fromme Sieger noch jederzeit ihren Er-

7) Über die Datirung der Schwertträgerin vgl. die
Schlufsbemerkungen. Was den Dionysos anlangt,
so scheint es mir genügend, auf den der linken
Schulter lose aufliegenden Wulst des Himation
hinzuweisen — eine »Drapirung«, die nament-
lich an aufrecht stehenden Figuren bei der ersten

Bewegung hinten herabgleiten müfste: Motiv des
Zeus Verospi und so durch verschiedene Gott-
heiten hindurch; ganz anders z. B. der praxiteli-
sche Dionysos auf den Münzen von Elis: Zeit-
schr. f. Numism. XIII, 384; Baumeister, Denkm.
S. 1402 n.1553.
 
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