Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wagner, Heinrich
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Büdingen — Darmstadt: Bergstraesser, 1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18791#0025

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BINGENHEIM

17

Bis 1423 war das Kloster Fulda im alleinigen Besitz der Burg Bingenheim
und des ihm noch zugehörigen Anteils am Dorf verblieben; durch Verkauf kamen
beide in diesem Jahr*) an Nassau-Saarbrücken und von diesem 1570 an Hessen-
Marburg, von dem sie 1604 an Hessen-Darmstadt übergiengen. Zwar wurde 1648
von Landgraf Georg II. das Amt Bingenheim an seinen Eidam, Wilhelm Christoph
von Hessen - Homburg abgetreten, der den Titel eines Landgrafen von Hessen-
Bingenheim führte; allein als dieser 168 r ohne Erben starb, fiel das ganze Amt
Bingenheim wieder an Hessen-Dannstadt zurück.

Bingenheim erhielt vermutlich im 14. Jahrhundert eine Kapelle, welche zur Kirche
Mutterkirche von Echzell gehörte und später als Kirche bezeichnet ist. Sie war
mit der Mutterkirche dem Archidiakonate des Marienstifts zu den Greden in Mainz **)
unterstellt; und aus ihr wurde 1859 durch Umbau die jetzige Kirche hergestellt.
Diese besteht aus ' einem flachgedeckten Schiff, an das sich der gleichweite nach
3 Seiten des regelmässigen Achtecks geschlossene Chor, sowie an der Nordseite
die Sakristei anreihen. Auf dem Dachfirst, nächst der westlichen Giebelmauer,
ist ein vierseitiger neuer Glockenturm, wohl an Stelle eines zierlicheren, älteren,
angebracht. Ueberreste der ehemaligen mittelalterlichen Kirche sind die |K
spätgotischen Masswerksfenster im Chor, an denen das Steinmetzzeichen: \
vorkommt, ein kleiner quadratischer Steinschrank mit eisernem Gitter, sowie der
erwähnte Sakristeibau an der Nordseite, dessen Innenraum, 4,7 m auf 3,5 m im Licht,
mit einem Rippenkreuzgewölbe überspannt ist. Der Schlussstein trägt einen dreieckigen
Wappenschild mit sternförmigem Abzeichen, dessen drei Strahlen in Lilien ausgehen.
In die Sakristei führt von Aussen, an der Nordwand, eine Spitzbogenthür, über der
in vertiefter Minuskelschrift zu lesen ist:

SÜiWO • iJlli • 111 • CCCC • lyyi -| Am Blättchen des

die Oeffhung umrahmenden Hohlkehlenstabs bemerkt man ein Steinmetzzeichen: /
Aus 1471 scheinen auch die den Raum erhellenden Dreipass-Fensterchen Ss
zu stammen. Etwas älteren Ursprungs, vielleicht noch der ursprünglichen *'
Kapelle angehörig, können die Fenster des Schiffes der Nordseite sein, welche
einfach ohne Masswerk spitzbogenförmig geschlossen sind. Die Thüre an der
Westseite, spitzbogig und von einer Hohlkehle zwischen schrägen Blättchen umrahmt,
rührt auch noch aus gotischer Zeit her. Die früher darüber angebrachte, vermutlich
eine teilweise Wiederherstellung der Kirche bezeichnende, Jahreszahl 1578***) hat
der Umbau von 1859 nicht geschont. Die hierbei eingesetzten Fenster an der
Südseite, sowie die Fenstergruppe in der Giebelmauer, stehen nicht im Einklang
mit den Resten des alten Gotteshauses.

In und ausserhalb der Kirche befinden sich einige, weder künstlerisch, noch
geschichtlich bemerkenswerte Grabsteine aus dem 17. u. 18. Jahrhundert.

Von den drei im Dachreiter aufgehängten Glocken ist die kleinste zwar ohne Glocken
Inschrift, aber augenscheinlich alten Ursprungs; die zwei grösseren Glocken sind
1804 von Otto in Giessen gegossen.

*) Ebendas. S. 417.

*) Würdtwein, Dioeces. Mog. III., Synodalregister des Mainzer Archidiakonats S. Maria virg. ad Gradus.
«) Dieffenbach, Archiv f. Hess. Gesch. V, 2, XIII, S. 47.

2
 
Annotationen