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Wagner, Heinrich
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Büdingen — Darmstadt: Bergstraesser, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.18791#0293

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WENINGS

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Die Pfarrkirche zu Wenings hat fast die gleiche Gestaltung, wie die vorher-
gehend beschriebene Kirche zu Usenborn. Der achtseitige Dachreiter sitzt auf
dem östlichsten Teil des Daches über dem Langhaus.

Bemerkenswert ist der im Grundriss quadratische Chor, welcher zwar, gleich
der ganzen Kirche, im Äussern die deutlichen Merkmale des im 17. und anfangs
des 18. Jahrhunderts vorgenommenen Umbaus zeigt, dagegen im Innern die
mittelalterliche Formbildung ziemlich bewahrt hat. Hier wie in Usenborn ist das
Altarhaus mit einem Kreuzgewölbe überspannt, dessen Hohlkehlenrippen sich un-
mittelbar aus den kreisrunden Eckdiensten entwickeln. Letztere entbehren somit
der Kämpferkapitelle. Den Schlussstein des Gewölbes schmückt ein von Ranken-
werk umgebener Kopf. Die beschriebenen Überreste der gotischen Kapelle können
vielleicht schon Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden sein.

Im Kirchenschiff, welches auf drei Seiten von zweigeschossigen hölzernen
Emporen umgeben ist, fällt die Kanzel am nördlichen Chorbogenpfeiler ins Auge,
deren Schnitzwerk von derber, barocker Arbeit, aber guter Gesatntwirkung ist. Unter
den Ecksäulchen der Brüstung sind, anstatt der Säulenfüsse, Konsolen angebracht;
die gedrehten Schäfte tragen jonische Kapitellchen mit kräftigen Voluten. Die
Wandfüllungen der Kanzel schmückt reiches Schnitzwerk, bestehend aus Fratzen-
köpfen mit Schnörkeleien und Gehängen, Vasen mit Blumen und Blättern, umrahmt
von Traubenranken. Auch der Schalldeckcl ist mit einem Ornamentenfries versehen.
Auf der westlichen Empore steht die Orgel. Am hölzernen Opferstock ist die
Jahreszahl 1639 eingeschnitten.

Im Boden des Chores finden sich die mit Wappen und Schmuckwerk ver- Grabsteine
sehenen Grabsteine von: 1) ELISABETH WILHEIMINA, verwittibte Gräfin zu
Ysenburg u. Büdingen, geb. Gräfin zu Leiningen u. Dachsburg, geb. d. 13. Apr.
1659, verm. mit WILHELM MORITZ, Gr. zu Ysenb. u. Büdingen d. 16. März
1709, gest. d. 15. Sept. 1733. 2) POLIXENE JULIANE, Gräfin zu Leiningen
und Dachsburg, Frau zu Aspremont, Oberstem, Broich, Bürgel und Reipoltskirchen,
geb. d. 19. Mai 1663, gest. d. 22. Jan. 1723 (?). 3) WILHELM EMICH CHRISTOPH,
Gr. zu Ysenburg u. Büdingen, geb. den 5. Okt. 1708, gest. d. 31. Jan. 1.741,
alt 32 Jahr, 3 Mon. u. 25 Tag. 4) Dessen zweiter Sohn CARL FRIEDERICH,
geb. d. 8. Febr. 1738, gest. d. 28. Okt. 1739, alt 20 Mon. u. 20 Tag.

Im Dachreiter hängen drei Glocken, eine neuere und zwei alte. Die grössere Glocken
der beiden letzteren, welche unten 70 cm im Durchmesser misst, trägt am Hals
die von links nach rechts zu lesende Inschrift in gotischen Minuskeln: ^ tUtfUll
ßfaa >¥ airani *b CUa bestehend aus den wiederholten Worten allß lllttria ge-
trennt durch Kreuze. Die kleinere dieser Glocken, welche in Fig. 148 dargestellt
ist, hat Anzeichen eines hohen Alters. Sie soll der Sage nach aus der »stumpfen
Kirche« (s. u.) stammen, und einst von einem Eber aus den Trümmern heraus-
gewühlt worden sein.*) Am untern Rand des Schlagkranzes sind Stücke ausge-
sprungen. Über dem Leistchen ist die auf der nächsten Seite abgebildete Inschrift
mit verschiedenen Weihekreuzen und Zeichen angebracht, welche, in den Glocken-

*) Ahnliches wird auch anderwärts von alten Glocken erzählt,

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