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Wörner, Ernst
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Rheinhessen: Kreis Worms — Darmstadt, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.18790#0309

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278

KREIS WORMS

Scharten. Der ehemalige Graben hat noch einige Tiefe; an einer Stelle nahe dem
Hamburger Thor ist auch die alte Contreescarpe noch erkennbar.

Von dem Mainzer Thor, wo die zerstörte Martinspforte stand, bis an die
Südwestecke der Stadt, wo der Turm Luginsland aufragte, bildet der Graben jetzt
einen Teil der Promenade. Nahe am Thor steht ein Mauerrest, der auf einen
Turm hinweist, dessen nach der Stadt gerichtete Wand wir zu sehen glauben.
In dieser Gegend stand nach dem erwähnten Verzeichnis und den Hamann'schen
Zeichnungen der »runde Turm«. Das Mauerwerk, das man sieht, hat jedoch gerade
Linien. Vielleicht dass wir die Verbindung des vor die Mauer gerückten Turms
mit der Mauer vor uns haben. Auf der Mauer, soweit sie erkennbar ist, sitzen

Turm Luginsland überall Gebäude auf. Thore fehlen. Der Turm Luginsland erscheint dem
Namen nach in einem Augenscheinsprotokoll des Stadtarchivs von 1550 (»dem
lugen Jns lande«); ebenso 1694 in dem zitierten Verzeichnisse, in dem er
unter den 1689 gesprengten Türmen angeführt wird u. a. a. O. Er ist nur noch
mit der inneren, nach der Stadt zu gerichteten Wand und zwar in Mauerhöhe
erhalten; viereckige Sandsteinkonsole, die aus seinem Mauerwerk vorspringen, deuten
daraufhin, dass hier die Balken für das erste Geschoss auflagen. Im Turm Lug-
insland wurde K. Heinrich, Friedrichs II. Sohn, gefangen gehalten (in einem Stein-
bau nahe S. Andreas, wie es in einer Quelle heisst), und der Name soll der Sage
nach daher rühren, dass der Königssohn dem Pfalzgrafen, der ihn gefragt, was er
mache, geantwortet habe: »Da sitze ich und luge für die lange weil ins Land«*).
Vom Luginsland geht die Mauer bis zu einem vorspringenden Turm,

Christoffeisturm dem Christoffelsturm, wie er in den Akten im Stadtarchiv genannt wird. Er
gehört zu den 1689 von den Franzosen gesprengten Türmen. In dieser Gegend
sitzt der Kreuzgang von St. Andreas auf der Mauer auf; die Scharten in derselben,
hoch und schmal (Höhe 75 cm, Breite 14 cm) und nahe bei einander, die an
dem ganzen Stück sichtbar sind, bilden die Fenster des Bodenraums des Südbaus
des Kreuzgangs. (S. S. 154.) Vom Christoffelsturm geht>vdie Mauer in ziemlich erhaltenem
Zustand in grader Linie bis zum Speyerer Thor. Vom Speyerer Thor bis zum
Südosteck der Stadt ist von der mittelaltrigen Mauer nichts mehr zu erkennen.

Türme im Osten Dagegen ist sie auf der ganzen Ostseite der Stadt noch grossenteils erhalten.

Namentlich sind hier zwei schöne spätgotische Türme und eine gotische Pforte
dazwischen bemerkenswert. Beide sind in rotem Sandstein höchst solid mit breiten
vorgelegten Mörtelfugen aufgemauert, mit gemauerten Zinnen auf der Höhe und an
den Ecken mit grossen ohne Mörtelfugen fest verbundenen Quadern versehen und in
der Technik ganz gleichartig. Der Bestimmung nach und in fortifikatorischer Hinsicht
sind sie verschieden. Der nördliche Turm (Fig. 139), der in dem Verzeichnisse
Bürgerturm von 1694 Bürgerturm genannt wird, tritt vor die Mauer hervor, so dass seine
nach der Mauer zu gerichtete Seite nicht mit dieser zusammenfällt, und ist nur von
der Stadt aus zugänglich. Er hat je zwei langgeschlitzte einfache Scharten und
dazwischen ein spitzbogiges Fenster auf jeder Seite. Die Scharten zwischen den
Zinnen zeigen eine spätere Zumauerung, welche durch einen Schartenschlitz unter-
brochen wird. Tragsteine sind unter der Zinnenreihe. Eine Scharte im Turmkörper

*) [Rust], Hertzliche Thränen etc. S. 15.
 
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