Naturgefühl zur Gedankenkunst. Er sammelt
alle Natureindrücke in eine begriffliche Einheit,
die der Anschauung als Symbol vorstellbar ist.
Die Unmittelbarkeit der einzelnen Stücke geht
unter und wird von einer geistigen Spannung
zu einer beherrschenden Idee emporgehoben.
Nur aus dem ungeheuren Abstraktionsvermö-
gen des deutschen Idealismus jener Zeit kann
eine solche Einstellung verständlich werden.
Alle lyrischen Stimmungen sind erstarrt: mehr
Schiller als Goethe. — Die Elegie der idealen
Landschaft der Poussins und Claudes ist ver-
klungen, der arkadische Unterton als zu müde
verworfen. Sich verlieren im Genuß eines gol-
denen Zeitalters ist zu feminin für die männ-
liche Struktur der Schinkelschen Phantasie.
Dem unbestimmten Gefühl des Pantheismus des
17. Jahrhunderts tritt die bestimmte Forderung
nach einer aktiven, alles ergreifenden Idee ge-
genüber. Kultur stellt sich somit über Natur;
es ist auch eine Romantik, aber die des Histori-
zismus des 19. Jahrhunderts. So tritt an Stelle
der passiven Ruine einer Zeit die aktive Rekon-
struktion von Gebäuden. Hier führt eine strecke-
lang der Baumeister die Zügel. Wie Ausstrahlun-
gen des in der Bildung der Dinge sich immer
betätigenden Wesens der Kultur einer Zeit formt
sich die Landschaft als Denkmal. Ihr Lebensge-
fühl will Erbauung, ist Vorbild, nicht Nachbild.
In den Federzeichnungen der Jahre 1800 bis
1803, die das Schinkelmuseum in Berlin be-
wahrt, wird noch mehr arrangiert, im Sinne
Hackaerts, als komponiert im Sinne Claudes.
Die erste italienische Reise weitet dann den
Blick, und hinzutritt ein lebhafter Sinn für die
Beziehung des Einzelnen zum Ganzen. Man
lese die Briefe und Aufzeichnungen dieser Reise,
wie alles auf einen gemeinsamen Sinn bezogen
wird, wie alles physiognomischen Charakter ge-
winnt. Was die baumeisterliche Phantasie durch
die Beschwerung der kubischen Distanzierung
und Ordnung noch nicht hätte bewältigen kön-
nen, fördert die planimetrisch szenische Abkür-
zung auf der Bildfläche. So erscheint der un-
freiwillige Verzicht, den seine Bautätigkeit nach
1805 — nach der Rückkehr aus Paris — sich
durch die Verarmung Preußens auferlegen muß,
wie eine Stufe in seiner Entwicklung.
In diese Zeit fallen seine wertvollsten Land-
schaftsmalereien, von denen einen großen Teil
die Nationalgalerie in Berlin jetzt im Cornelius-
saal zusammengestellt hat und die hier in Ab-
bildungen erscheinen.
Anfangs wurde die Romantik seines Histori-
zismus auf ziemlich derbe Weise popularisiert.
Für die Gropiusschen Weihnachtsausstellungen
malte er perspektivisch optische Bilder, zu de-
nen er selbst den erklärenden Text schrieb.
Ihre Titel muten uns heute wie die drei Sterne
im Baedeker an, die lehrhafte Bildung popu-
larisiert im Übereifer. Daß die sieben Welt-
wunder für das kleine Gropiustheater beson-
ders an ihren architektonischen Teilen für die
geistreichsten Rekonstruktionen der Wunder-
bauten des Altertums gelten konnten, wollen
wir Franz Kugler, der sie sah und beschreibt,
glauben. Daß Schinkel sich selbst dabei popu-
larisierte, als er Zeitstimmungen geschickt auf-
griff und 1813 den Brand von Moskau auf der
Leinwand inszenierte, so daß schon um 6 Uhr
des Abends alle Straßen in der Nähe der Aus-
stellung mit Equipagen gefüllt waren, konnte
seinem Charakter nichts schaden.
Daneben gingen in der Arbeit die kleineren
Ölbilder her, für die als Besteller teils General
Gneisenau und der Konsul Wagner besonders
bekannt geworden sind.
Er selbst urteilte, daß die reine Landschaft
Sehnsucht und Unbefriedigung in der Seele zu-
rückläßt. Darauf käme es an, den Charakter eines
Landes durch Figur und Landschaft in gegen-
seitiger Verschmelzung recht „concis" zu geben.
Hierfür ist der gotische Dom (Abb. siehe Matt-
beilage) aus demjahre 1813 ein treffliches Beispiel.
Das Bauwerk auf der Bastei denkt die Situation
der Landschaft — wie ähnlich der Limburger
Dom an der Lahn — zu Ende. Naturkräfte
strählen in die Luft aus, ergriffen und geformt
durch die bildende Idee der Natur im geistigen
Wollen des Menschen, dessen höchster Zustand
die künstlerische Ausformung ist. In einem
Bilde aus dem Jahre 1815 erscheint das genuß-
volle Leben italienischer Fürsten des 16. Jahr-
hunderts als die höchste Ausstrahlung der Kultur-
idee der Zeit (Abb. S.27) und über der kuppelbe-
krönten Stadt trifft sich unter zwei riesigen Wei-
den der Fürst mit Edelleuten und Trabanten auf
einer umformten Anhöhe: Kulturphysiognomik
in Landschaftsdarstellungen. Daß die hohen
geistigen Spannungen seiner Ideen sich langsam
als Kristallisation reichster und intensivster
Natureindrücke ergeben, zeigen besonders die
Landschaften, in denen architektonische Zeichen
zurücktreten, wie in dem frischen Morgen mit
den Kindern, dem Abend über den Wassern
und Wäldern, die nur der Potsdamer Havel-
gegend entnommen sein können, und der Land-
schaft mit dem spitzen Bergkegel und Wasser-
fall. Hier ist mehr Natur als Kulturromantik,
mehr Caspar David Friedrich Nähe.
Der Aufbau dieser Landschaften steht aber
auch noch unter symbolischen Formen. Jener
Bergkegel mit den dünnen Tannen, die seinen
Umriß begleiten, wird zum Altar, der unsere
Sehnsüchte aufwärts trägt. In der Komposition
tritt diese symbolische Akzentuierung für die
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alle Natureindrücke in eine begriffliche Einheit,
die der Anschauung als Symbol vorstellbar ist.
Die Unmittelbarkeit der einzelnen Stücke geht
unter und wird von einer geistigen Spannung
zu einer beherrschenden Idee emporgehoben.
Nur aus dem ungeheuren Abstraktionsvermö-
gen des deutschen Idealismus jener Zeit kann
eine solche Einstellung verständlich werden.
Alle lyrischen Stimmungen sind erstarrt: mehr
Schiller als Goethe. — Die Elegie der idealen
Landschaft der Poussins und Claudes ist ver-
klungen, der arkadische Unterton als zu müde
verworfen. Sich verlieren im Genuß eines gol-
denen Zeitalters ist zu feminin für die männ-
liche Struktur der Schinkelschen Phantasie.
Dem unbestimmten Gefühl des Pantheismus des
17. Jahrhunderts tritt die bestimmte Forderung
nach einer aktiven, alles ergreifenden Idee ge-
genüber. Kultur stellt sich somit über Natur;
es ist auch eine Romantik, aber die des Histori-
zismus des 19. Jahrhunderts. So tritt an Stelle
der passiven Ruine einer Zeit die aktive Rekon-
struktion von Gebäuden. Hier führt eine strecke-
lang der Baumeister die Zügel. Wie Ausstrahlun-
gen des in der Bildung der Dinge sich immer
betätigenden Wesens der Kultur einer Zeit formt
sich die Landschaft als Denkmal. Ihr Lebensge-
fühl will Erbauung, ist Vorbild, nicht Nachbild.
In den Federzeichnungen der Jahre 1800 bis
1803, die das Schinkelmuseum in Berlin be-
wahrt, wird noch mehr arrangiert, im Sinne
Hackaerts, als komponiert im Sinne Claudes.
Die erste italienische Reise weitet dann den
Blick, und hinzutritt ein lebhafter Sinn für die
Beziehung des Einzelnen zum Ganzen. Man
lese die Briefe und Aufzeichnungen dieser Reise,
wie alles auf einen gemeinsamen Sinn bezogen
wird, wie alles physiognomischen Charakter ge-
winnt. Was die baumeisterliche Phantasie durch
die Beschwerung der kubischen Distanzierung
und Ordnung noch nicht hätte bewältigen kön-
nen, fördert die planimetrisch szenische Abkür-
zung auf der Bildfläche. So erscheint der un-
freiwillige Verzicht, den seine Bautätigkeit nach
1805 — nach der Rückkehr aus Paris — sich
durch die Verarmung Preußens auferlegen muß,
wie eine Stufe in seiner Entwicklung.
In diese Zeit fallen seine wertvollsten Land-
schaftsmalereien, von denen einen großen Teil
die Nationalgalerie in Berlin jetzt im Cornelius-
saal zusammengestellt hat und die hier in Ab-
bildungen erscheinen.
Anfangs wurde die Romantik seines Histori-
zismus auf ziemlich derbe Weise popularisiert.
Für die Gropiusschen Weihnachtsausstellungen
malte er perspektivisch optische Bilder, zu de-
nen er selbst den erklärenden Text schrieb.
Ihre Titel muten uns heute wie die drei Sterne
im Baedeker an, die lehrhafte Bildung popu-
larisiert im Übereifer. Daß die sieben Welt-
wunder für das kleine Gropiustheater beson-
ders an ihren architektonischen Teilen für die
geistreichsten Rekonstruktionen der Wunder-
bauten des Altertums gelten konnten, wollen
wir Franz Kugler, der sie sah und beschreibt,
glauben. Daß Schinkel sich selbst dabei popu-
larisierte, als er Zeitstimmungen geschickt auf-
griff und 1813 den Brand von Moskau auf der
Leinwand inszenierte, so daß schon um 6 Uhr
des Abends alle Straßen in der Nähe der Aus-
stellung mit Equipagen gefüllt waren, konnte
seinem Charakter nichts schaden.
Daneben gingen in der Arbeit die kleineren
Ölbilder her, für die als Besteller teils General
Gneisenau und der Konsul Wagner besonders
bekannt geworden sind.
Er selbst urteilte, daß die reine Landschaft
Sehnsucht und Unbefriedigung in der Seele zu-
rückläßt. Darauf käme es an, den Charakter eines
Landes durch Figur und Landschaft in gegen-
seitiger Verschmelzung recht „concis" zu geben.
Hierfür ist der gotische Dom (Abb. siehe Matt-
beilage) aus demjahre 1813 ein treffliches Beispiel.
Das Bauwerk auf der Bastei denkt die Situation
der Landschaft — wie ähnlich der Limburger
Dom an der Lahn — zu Ende. Naturkräfte
strählen in die Luft aus, ergriffen und geformt
durch die bildende Idee der Natur im geistigen
Wollen des Menschen, dessen höchster Zustand
die künstlerische Ausformung ist. In einem
Bilde aus dem Jahre 1815 erscheint das genuß-
volle Leben italienischer Fürsten des 16. Jahr-
hunderts als die höchste Ausstrahlung der Kultur-
idee der Zeit (Abb. S.27) und über der kuppelbe-
krönten Stadt trifft sich unter zwei riesigen Wei-
den der Fürst mit Edelleuten und Trabanten auf
einer umformten Anhöhe: Kulturphysiognomik
in Landschaftsdarstellungen. Daß die hohen
geistigen Spannungen seiner Ideen sich langsam
als Kristallisation reichster und intensivster
Natureindrücke ergeben, zeigen besonders die
Landschaften, in denen architektonische Zeichen
zurücktreten, wie in dem frischen Morgen mit
den Kindern, dem Abend über den Wassern
und Wäldern, die nur der Potsdamer Havel-
gegend entnommen sein können, und der Land-
schaft mit dem spitzen Bergkegel und Wasser-
fall. Hier ist mehr Natur als Kulturromantik,
mehr Caspar David Friedrich Nähe.
Der Aufbau dieser Landschaften steht aber
auch noch unter symbolischen Formen. Jener
Bergkegel mit den dünnen Tannen, die seinen
Umriß begleiten, wird zum Altar, der unsere
Sehnsüchte aufwärts trägt. In der Komposition
tritt diese symbolische Akzentuierung für die
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