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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Christoffel, Ulrich: Hans Holbein der Jüngere
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0027

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Foto R. Spreng, Basel

terscheiden sich darin besonders von der ekstatischen
Kunst Grünewalds, dessen Isenheimer Altar Holbein
mit der tiefsten Bewunderung betrachtet hat. Schon
die frühe, zwischen dem ritterlichen Ursus und
einem Bischof sitzende Madonna in Solothurn und
noch mehr die vor einer Muschelnische stehende, von
der Familie des Bürgermeisters Meyer- angebetete
Maria in Darmstadt sind erfüllt von einer vermensch-
lichten Frömmigkeit gegenüber der heiligen Idea-
lität. Für die Familie Oberriet malte Holbein ein
Altarwerk mit den nächtlichen Beleuchtungsszenen
der Anbetung der Hirten und der Anbetung der Kö-
nige und mit den getreuesten Bildnissen der gesam-
ten Familie des Stifters. Dieser Altar gelangte nach
der Reformation ins Freiburger Münster. Nachdem
Holbein wohl in Mailand die lombardische Kunst
des Leonardokreises kennengelernt, malte er einen
Abendmahlsaltar mit kleinen Passionsszenen auf den
Flügeln, die in einem schmelzenden Helldunkel-
kolorit ausgeführt sind. Dann entwarf er eine Reihe
von Tuschzeichnungen aus der Passion als Vorlagen
für Glasbilder, die entsprechend dem dekorativen
Zweck auf die epische Verdeutlichung der Handlung
komponiert sind. Gegenüber dem Erlebnisstil der
Dürer und Grünewald ist in dieser Passion die klare
Anschaulichkeit der Auftritte gesucht. Als ein Bei-
trag zur deutschen Passionsauffassung kann auch der
mit wissenschaftlicher Nüchternheit studierte, aber
mit künstlerischer Leidenschaft gezeichnete tote Chri-
stus im Grabe von 1521 angesehen werden, in dem
bei aller gewissenhaften Wirklichkeitsnachahmung

Hans Holbein d.J. Flügeltüren der Münsterorgel zu Basel

öffentliche Kunstsammlung, Bösel

ein innerer Abstand von dem hohen Objekt auf wun-
derbare Yveise gewahrt bleibt.

Im ersten Basler Jahrzehnt entstanden auch die Holz-
schnitte zur Bibel und zum Totentanz, in denen die
darstellerische und erzählerische Phantasie des Künst-
lers die schönste Erfüllung fand. Holbein zeichnete
den Tanz des Todes mit seinen Opfern für die Silber-
gravierung einer Dolchscheide, wo sich die rhyth-
mische Gewalt des Tanzes in die Leichtigkeit' des
Flächenornamentes umwandelt. Wie er überhaupt
für den Buchschmuck Titel und Initialen entwarf
und dafür einen neuen Stil begründete, zeichnete er
auch ein Alphabet mit Totentanzszenen, die im aller-
kleinsten Format Auftritte von humoristischer Dä-
monie in vollkommener ornamentaler Ausprägung
wiedergeben. Die Zeichnungen für den eigentlichen
Totentanz wurden von Hans Lützelburger, der 1526
starb, meisterlich in Holz geschnitten, aber erst 1538
von dem Lyoner Verleger Trechsel in Buchform ver-
öffentlicht. Papst und Kaiser, Fürsten, Ritter, Geist-
liche, Richter, Kaufleute, Bauern, Kinder und Greise
werden vom Tode in glücklichsten Momenten der Tä-
tigkeit und der Daseinsfreude überrascht oder fried-
lich weggeführt. Landschaften breiten sich im hellen
Sonnenschein aus, festliche Bäume von Kirchen und
Palästen, Gärten und Straßen öffnen sich und die
Menschen wandeln in stolzem Gehabe über die Bühne.
In den Ständen wird mehr das Leben und die Sitte
der neuen Zeit als der Schrecken des Todes darge-
stellt, da die Lebensbejahung des jungen Geschlech-
tes dem Tod entgegenwirken wollte. In den Figuren
 
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