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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Scheffler, Karl: Edvard Munch
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0160

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Edvard Münch. Mädchen auf Brücke

Edvard Münch. Von Karl Scheffler

Kurz nach seinem achtzigsten Geburtstag ist Edvard
Münch gestorben. Er war der beste Maler, den Nor-
wegen jemals gehabt, der einzige, der über sein Vater-
land weit hinaus gewirkt hat, etwa so, wie der um
eine Generation ältere Ibsen als Dramatiker einst
wirkte, wie heute noch der fast gleichaltrige Hamsun
als Epiker wirkt. Bei allen Dreien gab es ein ähnliches
Echo, weil sie. jeder in seiner Weise, Bekenner waren
und sich forciert, ja polemisch äußerten. Für Litera-
ten war dieses nicht ungewöhnlich, wohl aber für
einen Maler. Münch sah Natur und Leben durch die
Farben seines Gemüts: das ist romantisch. Seine Kunst
war klagend, wenn nicht gar anklagend; auch dieses
verband ihn mit den Dichtern seines Landes, es war
in seiner Kunst das National-Norwegische.
Um ihrer mitternächtlichen Romantik willen ist das
Interesse freilich nicht in allen Ländern gleich stark

gewesen. In Frankreich blieb die Resonanz aus, Eng-
land zeigte nicht viel Teilnahme, und in amerikani-
schen Sammlungen sind Bilder von Münch selten.
Gezündet, außerhalb der skandinavischen Länder, hat
diese Malerei vor allem in Deutschland. Der Nor-
weger hat sich künstlerisch nach den Erkenntnissen
französischer Impressionisten orientiert, nicht zuletzt
nach Gauguin. Doch hat er diese Sehform nicht nur
visuell begriffen, sondern auch Darstellungsmittel
daraus gewonnen, die eine Bestürzung über das Le-
ben veranschaulichen. Ließen die Impressionisten sich
vom Eindruck bedeuten, so wollte Münch nicht ver-
zichten, ihn nochmals weltanschauungshaft zu deu-
ten; schauten jene die Natur naiv optisch an, so sah
dieser alles als Stimmung, gefärbt durch eine Welt-
angst. Die Folge ist, daß Münchs Bilder subjektiver,
ja in einer übertragenen Weise autobiographisch an-

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