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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Roth, Toni: Das Handwerk in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0043

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Das Handwerk in der Malerei. Von Toni Roth, München

Einer unserer größten lebenden deutschen Künstler
sagte mir einmal, ein handwerklich schlecht aufge-
bautes, aber gut gemaltes Bild sei ihm wesentlich
wertvoller als ein handwerklich einwandfreies, aber
künstlerisch belangloses. Selbst wenn das handwerk-
lich schlechte, aber gut gemalte Bild nur eine Lebens-
dauer von einem Tage hätte, so sei der Kunst ein grö-
ßerer Dienst erwiesen als mit dem Fortleben eines
handwerklich guten, jedoch künstlerisch wertlosen
Bildes.

Das ist so gültig, daß es darauf ankommt, die Anti-
these von Kunst und Handwerk aufzuheben und beide
in eine organische Beziehung zueinander zu bringen
dergestalt, daß das edle Handwerk der edelsten Kunst
dient. Hätten die alten Meister keinen Wert auf das
Handwerkliche gelegt, so wäre viel bedeutendes Kul-
turgut heute verloren und es gäbe keine befruchtende
Uberlieferung. So aber konnten -viele große Maler
ihre Kunst auf die der Alten aufbauen und erst all-
mählich ihre eigenen daran gereiften Wege gehen.
Das Handwerk war bei den alten Meistern bis zu
Goya das Fundament in der Malerei, dann verlor es
sich allmählich und die Entwicklung endete im
19. Jahrhundert mit einem vollen Verlust der Tra-
dition. So kommt es, daß unzählige bedeutende Mei-
sterwerke des vorigen Jahrhunderts bereits heute dem
Verfall preisgegeben sind. Ich denke vor allem an
Leibi, Menzel und Marees. Leibi wollte bei seiner Be-
sessenheit für beste Qualität auch handwerklich ein-
wandfrei malen, lebte aber in der Verfallzeit der Mal-
technik. Schuld an der mangelnden Haltbarkeit einer
gewissen Zahl seiner Bilder sind die käuflichen über-
fetteten Olgründe und die reichliche Verwendung
alter, zäher Lein- und Mohnöle, auch die damals
käuflichen Ölfarben. Bei einigen Bildern runzelt die
Farbe durch Verwendung alter Öle so stark zusam-
men, daß Form und ursprüngliche Farbe unkenntlich
sind, wie z. B. bei denvwundervollen Ausschnitt des
Wildschützenbildes in der Nationalgalerie in Berlin.
Menzel ging es bei einigen seiner Bilder nicht viel
besser. Das berühmte Flötenkonzert von Sanssouci ist
stark nachgedunkelt und mit vielen Bissen durch-
zogen, so daß der Bildeindruck stark beeinträchtigt
wird. Auch hier wirken die gleichen maltechnischen
Fehler; darüber hinaus ist das Bild nicht prima son-
dern in die halbtrockene Ölfarbe fertig gemalt, ein
weiterer Keim zur Zerstörung. Schließlich leiden
heute schon einzigartige Werke von Marees an be-
trächtlichen Schäden, da der Meister nachweislich
seine Bilder, vor allem in späteren Jahren, ungezählt
oft übermalte. In 100 Jahren sind solche Bilder zu
Buinen und damit für die deutsche Kunst zu einem
schmerzlichen Verlust geworden.
Ganz anders ist es um die alten Meister bestellt. Wir
brauchen ja nur in den Galerien ihre Werke anzu-
sehen, die noch nicht von Bestauratoren im Laufe der
Zeit verdorben wurden. Sie sind nicht nachgedunkelt,
die Farbe runzelt nicht, sondern sind schöner zusam-
mengeschmolzen als in dem Zeitpunkt, da die Bilder

naß vor der Staffelei standen. Freilich gibt es auch
hier Ausnahmen, im besonderen was Tizian- und
Tintoretto-Nachahmungen beweisen. Aber ein un-
verdorbener Bubens leuchtet heute noch mehr mit
einem emailleartigen Schmelz in seinen kühlen und
warmen Tönen. Ein Bembrandt ist wie rätselhaftes
Gold zusammengewachsen, und bei einem Velazquez
wird heute noch die kühle Koloristik und jeder Pinsel-
strich fühlbar. Hier ist der Lohn dafür leuchtend ge-
reift, daß gerade diese großen Maler das Handwerk
nicht minder achteten als ihre göttliche Kunst. Wir
wissen von Bubens, wie er sich um das Handwerk be-
mühte, um einwandfreie Gründe, Farben und Binde-
mittel.

Wollen wir in der modernen Malerei Werke für kom-
mende Generationen schaffen, so müssen wir wieder
auf dem Boden des Handwerks aufbauen. Der einzig-
artige Bahnbrecher des 19. Jahrhunderts auf dem Ge-
biete der Maltechnik ist Max Doerner. Er hat der
deutschen Kunst durch jahrzehntelange Arbeit das
Handwerk zurückerobert und in seinem Buche ,,Mal-
material und seine Verwendung im Bilde" (vor kur-
zem in 7. Auflage bei Ferdinand Enke, Stuttgart, er-
schienen) seine Lebensarbeit niedergelegt. Alles gei-
stige und künstlerische Streben ist ohne Ende, so auch
die Maltechnik. Fruchtbare Wege der Maltechnik für
unsere moderne Kunst zu finden und zu zeigen,
stellt die größten Forderungen. Einige Hinweise, so-
weit es der Baum gestattet, seien hier gegeben.
Erste Voraussetzung ist es, mit den einfachsten Mit-
teln sein Bild aufzubauen und soweit möglich die Ma-
terialien selbst herzustellen, so z. B. Kreidegründe
und Halbkreidegründe auf Leinwand, Gipsgründe
auf Brettern oder Holzfaserplatten und dabei vor
allem den schädlichen Ölgrund auszuschalten. Ölfreie,
aber doch nicht saugende Gründe, wie z. B. ein iso-
lierter Kreidegrund geben dem Bilde größte Leucht-
kraft und verhüten das Nachdunkeln. Auch ölige
Bindemittel sollen so viel wie möglich gespart wer-
den. Selbsthergestellte Gründe sind reizvoller, grif-
figer und wesentlich besser zu bemalen als die im
Flandel befindlichen. Bedeutsam ist ferner die Ver-
wendung einwandfreier Pigmente (Farbstoffe). Ge-
handelt werden Hunderte von Mischtönen, die nicht
notwendig sind, sondern nur den Maler beirren. Wir
brauchten keine Mischtöne, um so nötiger aber unge-
streckte und lichtechte Farben. Der Maler soll seine
Farbe selbst anreiben, z. T. mit ungefähr 2 Jahre al-
tem kaltgeschlagenem Lein- oder Mohnöl und einer
geringen Zugabe von Wachs. In die selbstgeriebene
Farbe kann der Maler mehr Farbstoff bringen als bei
den käuflichen Farben,'wodurch die Qualität erheb-
lich gesteigert wird. Außerdem hat er bei der Han-
delsware keine Gewähr dafür, mit welchen Binde-
mitteln sie angerieben ist. Nur der Maler kann für
die Haltbarkeit seiner Arbeit auch einstehen, der vom
Grund auf die verwendeten Werkstoffe, Farben und
Bindemittel kennt. Im Laufe der Zeit müßte es so
weit kommen, daß nur Farbtuben mit reinem Pig-

Kunst für Alle, Jahrg. 59, Heft 2, Dezember 1943 4 f ^(jf^J^T ~^ ^5

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