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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Röhrdanz, Günther: Natürliche Anmut und beseelter Ausdruck: zu den Arbeiten des oberrheinischen Bildhauers Emil Sutor
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0154

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Reich gedrungen ist. Zum ersten Male, als er 1956
beim Kunstwettbewerb der Olympiade für sein Flach-
relief „Hürdenläufer" eine Goldmedaille erhielt und
dieses Werk für die Tokioer Staatsgalerie von Japan
angekauft wurde. Und zum zweiten Male, als er nach
der Erringung des ersten Preises den Reichsauftrag
für einen 58 Meter langen Fries für das Schloß in
Posen erhielt.

Die hier wiedergegebenen Beispiele aus dem Schaffen
Emil Sutors sind jenem zweiten Kreis von Werken
entnommen, die in die Atmosphäre einer stark ver-
innerlichten Gefühlswelt führen. Und hier ist es ein
Thema, das Sutor nicht nur anhaltend beschäftigt, das
ihn vielmehr auch immer wieder zu einer Lösung, zu
immer erneuter Formulierung drängt. Es ist der Stoff
Mutter und Kind, und man kann sagen, daß hier
einer der Schwerpunkte seines Schaffens überhaupt
liegt. Als er vom Fürsten von Fürstenberg den Auf-
trag für eine figürlicheDarstellung der Donauquelle in
Donaueschingen erhielt, gab er der unerschöpflich
und aus unerforschten Gründen gespeisten Quelle die
Gestalt einer Mutter, die aufrechtstehend um ihr Kind
die schützenden Arme gelegt hat. Man spürt in dem
klassischen Fall eines rockartigen Uberwurfes das
Wissen um die hohen Werte griechischer Bildgestal-
tung. W as aber aus dem Faitenspiel dieses nur leicht
die Formen verhüllenden Gewandes herauswächst, ist
ein moderner Mensch, klar und edel, mit hoher, flie-
hender Stirn und in einer natürlichen und daher selbst-
verständlich wirkenden Haltung. Hatte schon dieser
aufgerichtet schreitenden Frau die Geste des Schützens
den mütterlichen Ausdruck verliehen, so steigerte
Emil Sutor diese Gebärde in einer zweiten Fassung
des Mutterthemas. Das ein Jahr später geschaffene,
heute im Besitz des Reichsführers ff Himmler befind-
liche Bildwerk der sitzenden Mutter erhält seine ganze
Haltung und seinen Inhalt von dieser schützenden
Gebärde. Ganz versunken in den Anblick ihres Kin-
des birgt die Mutter den Körper des kleinen, verspiel-
ten Wesens schützend in ihrem Schoß. Beide verkör-
pern eine in sich abgeschlossene Welt, die Welt des
unerschöpflichen Ursprungs allen Lebens.
Alles, was hier das Element der Ruhe, der Abgeklärt-
heit, des stillen Insichgekehrtseins betont, ist in dem
Amazonen-Relief in sein Gegenteil verwandelt. Diese
Arbeit, die wie alle Reliefs Emil Sutors in der Kom-
position die malerische, in freien Stunden von ihm
liebevoll gepflegte Begabung deutlich spüren läßt, ist
förmlich geladen mit Spannung und Temperament.
Obwohl das Thema noch der Welt der Frau entnom-

men ist. berührt es schon die Welt der „Hürdenläu-
fer", ist in der Aufteilung des Raumes mit der glei-
chen Virtuosität gelöst. Wohl stößt der Lauf der vor-
wärtsstürmenden Pferde aus dem Relief heraus, und
trotzdem ist die ganze Arbeit komponiert und aufge-
baut aus einem starken Gefühl für die Fläche, also aus
einem malerischen Element. Denn die entscheiden-
den Linien, die der Komposition den außerordent-
lichen Schwung und die Spannkraft geben, sind die
beiden von den Pferdekörpern gebildeten Diagonalen,
die sich etwa im Mittelpunkt des Reliefs überschnei-
den.

Wenn Emil Sutor das zweite hier wdedergegebene Re-
lief „Drei Grazien" genannt hätte, so wräre das Thema
ebenso treffend damit charakterisiert worden, wie mit
der Unterschrift „Badende". Bei den Amazonen eine
Neuformulierung eines alten Themas, bei den Baden-
den eine bewußte Abkehr von jeder mythologischen
Uberlieferung und doch in der Wiedergabe entfernte
Anklänge an die antike Sagenwelt. Aber wieder ist es
die Erfassung des Körpers, die dem Bildwerk den Aus-
druck der Moderne gibt, sind die Bewegungen den
Menschen der Gegenwart abgelauscht, sprechen sie in
ihren Gesten und Gebärden die Sprache der Neuzeit,
tragen die sich wie die Frauen unserer Tage.
Emil Sutors Bildwerke wachsen aus einer lebendigen
Phantasie, aus einer natürlichen und durch eiserne
Energie unermüdlich geschulten Begabung. Ein
außerordentlich starkes und lebendiges Gedächtnis,
gepaart mit einer glänzenden plastischen Vorstellungs-
gabe ermöglichen dem Künstler den Verzicht auf Mo-
delle als Gedächtnisstütze. Lediglich zur Kontrolle
zieht er das Modell heran. Durch dieses fast unabhän-
gige Arbeiten bekommen seine Reliefs diese Freizü-
gigkeit im Vorwurf, regt ihn seine Phantasie zu Bild-
werken an, die aus der Natur in die Sphäre des Künst-
lerischen, nie aber des Künstlichen übersetzt sind.
Wer die sitzende Mutter mit dem Kind betrachtet,
wird vielleicht noch nie eine Mutter in dieser Haltung
gesehen haben. Sie ist der Phantasie Sutors nach na-
türlichen Anregungen entsprungen. Aber man wird
trotzdem beim Umschreiten dieser Rundplastik die
Harmonie der Proportionen, das in der Haltung aus-
gedrückte Empfinden schön finden. Freude am Schö-
nen, am Edlen, am Rassigen und an der Wohlpropor-
tioniertheit des menschlichen Körpers auszulösen, die
Welt des Alltags zu schmücken und sie damit über das
Alltägliche zu erheben, das ist eine Aufgabe, die sich
der oberrheinische Bildhauer Emil Sutor mit seinem
Schaffen gestellt hat. Und sie ist des Dankes w'ert.
 
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