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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Christoffel, Ulrich: Heinrich Wölfflin: zum 80. Geburtstag am 21. Juni 1944
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0193

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sprachlichen Anschaulichkeit und in der geistigen
Tonart ein Meisterwerk des deutschen Schrifttums ge-
hlieben. Die Bücher sind alle in München im Verlag
Bruckmann erschienen und werden in allen Sprachen
in immer neuen Auflagen verbreitet. Der junge
Kunsthistoriker liest Wölfflin, um in das Wesen sei-
ner Wissenschaft einzudringen und die großen Pro-
bleme der Stilbildung und des Stilwandels bei den
einzelnen Künstlern und den großen Epochen kennen-
zulernen, der Fachmann aber, um sich in der Höhen-
luft der Wölfflinschen Gedankenklarheit zu erfrischen
und wieder den Überblick über das Ganze des kunst-
wissenschaftlichen Denkens zu gewinnen. Wer sich
an den vielen Einzelheiten kurzsichtig gelesen hat,
greift nach der „Klassischen Kunst" oder dem „Al-
brecht Dürer" oder nach den „Kunstgeschichtlichen
Grundbegriffen'", um den Blick wieder zu schärfen
und sich an der würdigen Art zu freuen, mit der darin
die Kunst betrachtet wird und mit der darüber ge-
schrieben wird. Wölfflins Bücher sind aus einer gei-
stigen Schau konzipiert und mit einer geistigen Prä-
gnanz geschrieben, daß sie in ihrer Wirkung dem
Wandel der Zeit nicht unterworfen sind. Weil sie vom
Wesentlichen und nicht vom Nebensächlichen han-
deln, behalten sie wie die Kunstwerke selbst eine ein-
dringliche geistige Gegenwärtigkeit.
Es gehört zur Denkweise Wölfflins, daß er von einer
gewissen Polarität entgegengesetzter Begriffspaare
ausgeht und aus ihrem Spannungsverhältnis seine in-
tuitiven Erkenntnisse ableitet. Wenn seine Vorlesun-
gen, Vorträge und Aufsätze auch die Kunst der An-
tike, des Mittelalters und besonders des 19. Jahrhun-
derts behandeln, beschränken sich seine Bücher auf
die neuere Zeit, die Entstehung der Renaissance in
Florenz, die Entstehung des Barocks in Rom und die
Auswirkung dieser Stile auf die deutsche Kunst der
Dürerzeit. Das „deutsche Formgeführ' bedeutete

Wölfflin immer eine künstlerische und kunstgeschicht-
liche Wirklichkeit, der er mit besonderer Anteilnahme
und einem tiefen Verständnis nachgegangen ist. Sein
Denken ist von einer plastischen Faßbarkeit und Ein-
fachheit, daß man es schon immer mit der formalen
Auffassung des Bildhauers Adolf Hildebrand in Par-
allele gesetzt hat. Dabei hat sich aber Wölfflin vor
allem mit der Malerei unc den großen Malern abge-
geben. Das malerische Empfinden war bei ihm das
räumliche Element, von dem sich die Zeichnung sei-
ner Begriffe in deutlichem Umriß abhebt. Wölfflin
verbindet in der Ordnung seiner Begriffe die Be-
grenzung der Renaissance mit der weiten Fühlung des
Barocks, stellt aber dem südlichen Positivismus immer
das Helldunkel Rembrandts entgegen, um am Gegen-
satz der Stile und Ausdrucksarten den Wertgehalt der
Begriffe zu prüfen. Das Erkennen bleibt ihm stets
etwas Werdendes. Die Widersprüche, die sich bei der
Kunstbetrachtung zwischen der künstlerischen Ein-
fühlung und der begrifflichen Erkenntnis ergeben, fin-
den ihre Auflösung in der harmonischen Persönlich-
keit des Gelehrten. Nach einem Besuch einer Samm-
lung von malerischen Meisterwerken des 19. Jahr-
hunderts meinte Wölfflin, daß ein Anselm Feuerbach
zwischen den augensinnlichen Kostbarkeiten als gei-
stige Substanz Wunder wirkte, und einmal erzählte
er, daß er sich mit zunehmendem Alter immer mehr
zu Rembrandt hingezogen fühle. In Venedig mochte
er selber kaum glauben, daß ihm der Dogenpalast
einmal besser gefallen -würde als die Bibliothek San-
sovinos, aber er verschloß sich der neuen Empfindung
nicht. WTeil der Jubilar stets mit seiner Zeit lebte,
ohne sie beherrschen zu wollen noch ihr zu dienen,
bewahrte er sich bis heute eine Elastizität des Geistes
und des Gemütes, die jeden seiner Besucher in Er-
staunen setzt.

Personalien

Der Maler Professor Otto Dill, früher in München, jetzt
in Bad Dürkheim (Pfalz! wurde am i. Juni 60 Jahre all.

Der Maler Professor Heinrich Knirr ist in Staudach
bei Tegernsee im Alter von 82 Jahren gestorben.

Der Münchner Landschaftsmaler Erich Kubierschky
ist nach Vollendung seines 90. Lebensjahres gestorben.

Der Münchner Maler Professor Kunz Meyer-Waldeck
feierte am 3. Juli seinen 85. Geburlstag.

In Wien verschied im 86. Lebensjahr der Kunsthändler
Julius Eymer, Inhaber der ehem. Hofkunsthandlung
L. T. Neumann, Wien.

Der Wiener Maler, Graphiker und Kunstgewerbler Profes-
sor Erwin Puc hinger starb im Alter von 67 Jahren.

Der Architekt Werry Roth wurde zum Landesleiter
Berlins der Reichskammer der bildenden Künste ernannt.

Der Maler Professor Julius Schräg in München konnte
am 27. Juni seinen 80. Geburtstag feiern.

Professor Dr. Ii. c. Paul Schnitze-Naumburg, der
bekannte Maler und Architekt, wurde am 10. Juni 75 Jahre
alt; der Führer verlieh ihm aus diesem Anlaß den Adler-
schild des Deutschen Reiches.

Der Maler Emil Thoma, bekannt als Maler des Chiem-
gaues, wurde 75 Jahre alt.

In Berlin verstarb Professor Dr. Theodor Demmler,
der Direktor der Skulpturenabteilung des Kaiser-Friedrich-
Museums in Berlin.

Der Münchner Architekt Professor Leonhai d Gall wurde
am 28. August 60 Jahre alt.

Der Aachener Maler Professor August von Brandis
wurde 85 Jahre alt.

Der Marburger Kunsthistoriker Professor D.\ Richard
Hamann wurde 65 Jahre alt.

Der bekannte Bühnenbildner des Wiener Burglheaters Pro-
fessor Emil Pirchan wurde 60 Jahre alt.
 
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