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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1881

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Krell, Paul F.: Schmuck, [1]: Vortrag, gehalten den 22. Februar 1881 im Münchener Kunstgewerbeverein
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Vereinschronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7025#0031

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geben zu, daß sic zuweilen ganz empörende Dinge hervor-
gebracht und wir sind dafür, sich der Einführung solcher
nach Kräften zu widersetzen, vor Allein durch Enthaltung,
d. h. sofern es die Umstände verstatten. Wir bekennen uns
sodann gleichfalls zu der Ansicht, daß der jetzige Wechsel
der Mode ein zu rascher ist, daß ein Jagen und Haschen
nach Nouveautes stattfindet, welches manche unserer Indu-
striellen und Kaufleute befördern, dein das Publikum aber
entgegentreten sollte. Verwunderlich ist es freilich nicht, daß
es zu diesem Tempo gekommen, da ja die Tendenz unserer
ganzen Epoche seit geraumer Zeit darauf hingeht, Alles
in möglichster Schnelligkeit zu erreichen, die Wege und die
Arbeit abzukürzen, und da der Verkehr so sehr erleichtert ist.
Es erscheint da fast sogar seltsam, daß wir z. B. die neue
Mode noch nicht gleichzeitig mit Paris erhalten, sondern
erst nach einem halben oder ganzen Jahre. Was wir jetzt
als neu und pikant bewundern und anlegen, das fängt man
bekanntlich dort schon an verbraucht zu finden und rüstet
sich, cs abzulegen. Es sind gewiß nur kommerzielle Gründe,
die diese Verschiebung aufrecht erhalten.

So wenig man nun den Epheu, die Winde und son-
stige Wucherpflanzen, weil sie, wenn nicht gehörig beschnitten,
andere Pflanzen umarmend ersticken und selbst Mauern
ruiniren und indirekt den Menschen damit schaden, wird
ganz ausrotten wollen, ebenso wenig sollte man an ein
Beseitigenwollen der Mode denken; es gilt nur, sie zu zü-
geln und auf eine gute Bahn hinzudrängen. Man kann

die Mode als Ausdruck der jeweiligen Stimmung einer
Zeit und einer Nation bezeichnen, die allerdings nicht immer
in unverfälschter Weise zu Tage tritt. Die Mode basirt
auf dem tiefen Bedürfniß der menschlichen Natur nach dem
Wechsel, die ja selbst in eine Welt des Wechsels hincin-
gestellt ist. Man will Neues sehen und selbst neu erscheinen.
Diejenigen, welche bei dem Werden der Mode mitzusprechen
haben, wissen daher wohl, daß sie ihr den Tharakter des
Ueberraschenden verleihen müssen, obgleich große Sprünge
von ihr eigentlich nicht gemacht werden, sie vielmehr aus
ökonomischen Gründen von einem Extrem zum andern stets
durch Mittelstufen hinüberschreitet. Dies Ueberraschenwollen
durch eine Neuheit geht nun freilich oft auf Kosten der
Schönheit, aber man bedenke auch, wer die eigentlichen
Macher der Mode, die Interpreten der erwähnten Zeit-
stimmung sind, wer diejenigen, die den Anstoß geben und
wer jene, welche die Ausführung haben.

Die ersteren, Leute von Rang oder Reichthum, haben
dann und wann, aber nicht immer, einen guten Geschmack,
die letzteren sind künstlerisch begabte Individuen, aber selten
wirkliche, vollständige Künstler und nur in ganz seltenen
Ausnahmen solche, die ihr besseres künstlerisches Verständniß
dem noch so überqueren Wunsche eines Tonangebenden
gegenüber aufrecht erhalten. Sie suchen vielmehr gerade
jene Wünsche herauszulocken, um sie als Grundmotive zu
verwenden.

(Schluß folgt.)

Vereinschronik.

Sch. Wir können im diesmaligen Berichte über die Vorgänge
innerhalb unseres Vereinslebens leider nur Bruchstücke bringen,
da längeres Unwohlsein den Berichterstatter verhinderte, die-
selben in der jüngsten Zeit persönlich zu verfolgen. Insbeson -
dere müssen wir dieses Mal von der Mittheilung der inzwi-
schen in der Kunstgewerbehalle ausgestellten nennenswerthen
Gegenstände Umgang nehmen, da bei mangelhafter Aufzähl-
ung jedenfalls manche Ungerechtigkeit mitunterlaufen würde.

Wir beschränken uns daher auf die Berichterstattung
über jene Vereinsabende, denen unser Berichterstatter noch
persönlich anzuwohnen im Stande war. - An dem ersten
derselben sprach Herr Professor Vr. Sepp über „Den Dom
zu Köln und die gothische Architektur". Bekanntlich ist
Or. Sepp ein begeisterter Verehrer des „christlich germani-
schen Baustils", wie er sich ausdrückt, und so war es wohl
selbstverständlich, daß die geistreichen Exkursionen, welche
derselbe in die Blüthezeiten des Mittelalters unternahm,
allseitigstes Interesse erregten und daß sich von seiner Be-
geisterung, der er in bekannter lebhafter und anregender
Weise Ausdruck verlieh, auch eine starke Dosis auf die zahl-
reichen Zuhörer übertrug, was um so begreiflicher erscheint,
als ja in der Thal die Vollendung des Kölner Domes eine
der großartigsten Erscheinungen unseres Jahrhunderts ge-
nannt werden muß und sein Entstehen und Vollenden, das
in wunderbarer Weise die deutsche Reichsherrlichkeit des
Mittelalters mit der neuerstandenen Reichsherrlichkeit un-

serer Tage auf das engste miteinander verbindet, wohl dazu
angethan ist, tiefgehende Begeisterung zu erwecken. Wenn
derselbe jedoch in dem Wiederaufleben des „christlich ger-
manischen Baustils" allein das wahre Heil für die gesunde
Entwicklung deutscher, volksthümlicher Architektur erblickt
und wenn er das (6., (7. und (8. Jahrhundert ohne Un-
terschied als einen einzigen großen Irrgang der deutschen
bildenden Kunst bezeichnet, so dürfte diese Behauptung ge-
rade heutzutage, wo man sich mit dem vollen Bewußtsein
und aus wohlbegründeter Ueberzeugung die Weiterentwick-
lung der allzu jäh unterbrochenen deutschen Renaissance,
die denn doch unseren modernen Verhältnissen näher steht,
als die wenn auch noch so großartige Verkörperung mittel-
alterlicher Geistesrichtung, zur Aufgabe gestellt hat, in den
betreffenden Kreisen auf berechtigten und wohl zu doku-
mentirenden Widerspruch stoßen. Doch mag dem sein, wie
ihm wolle, dem Ausspruche Sepps, daß wir unter allen
Umständen unsere nationale Eigenthümlichkeit, unser ger-
manisches Volksbewußtsein auch auf dem Gebiete der Kunst
wieder voll und ganz zur Geltung bringen müssen, diesem
Ausspruche wird jeder beipflichten müssen, der die Kunst
als heimische Pflanze und nicht als exotisches Gewächs kul
tivirt wissen will. Das ist aber in jedem Stile möglich,
wenn wir ihn nur selbständig, unseren Bedürfnissen und
unserem Tharakter entsprechend verarbeiten. Ist ja doch
auch die Gothik kein rein germanisches Gewächs gewesen!
 
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