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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1881

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Krell, Paul F.: Schmuck, [2]: Vortrag, gehalten den 22. Februar 1881 im Münchener Kunstgewerbeverein
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Pecht, Fr.: Das Deutsche Reich und die Kunstindustrie: Vortrag, gehalten im Münchener Kunstgewerbeverein am 8. März 1881
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https://doi.org/10.11588/diglit.7025#0052

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Gcschnmckes diene. Indeß hat die Sache auch ihre eminent
praktische Seite! Seitden: auf eine schöne Komposition Werth
gelegt und die Ausführung von pand wieder geschätzt wird,
und nicht nur in München und Wien diese Schmuckgattung
Anklang findet, sondern auch Bestellungen von überall her
bei unfern Goldschmieden einlausen, so daß sie zu manchen
Zeiten des Jahres kaum allen Anforderungen zu genügen
im Stande sind, seitdem ist die Stellung der Goldschmiede
und ihrer Gehülfen eine andere geworden. Man reißt sich
geradezu um die guten Arbeiter, da man in der Lage ist,
sie entsprechend zu belohnen. Eine solche Werthschätzung
hebt aber den ganzen Stand in seinem Bewußtsein; auch
ist damit der beste Damm gegen das Umsichgreifen der
Zrrlehren der Socialdemokratie in dem betreffenden Runst-
gewerbe geschaffen.

Wohl hat man bereits begonnen, diese Aleinodien
fabrikmäßig billig mit ungefährem Aussehen wie jene feinen
Runstwerke herzustellen. Dieß schadet aber durchaus nicht,
wenn nur bei Denjenigen, die cs vermögen, die Erfindung
und die Ausführung dem bloßen Materialwerth gegenüber
hochgehalten wird. Wir wollen auch keineswegs die Fabrik-
produktion auf diesem Gebiete als etwas Ungehöriges be-
zeichnen; sie hat für gewisse Branchen ihre große Berech-
tigung; man kann nicht jedem Dienstmädchen eine eigene
Komposition für ihren Schmuck entwerfen. Bon jeher wurde
ja in allen Zweigen des Runstgewerbes für die untern
Schichten des Volkes dasjenige in billigen Surrogaten fabrik-
mäßig nachgeahmt, was man für die oberen in theuren
Stoffen besonders anfertigte — auch werden wir uns nicht
bedenken, den Mexikanern, Peruanern und andern anti-
podifchen Völkern ganz nach ihrem Geschmack Waare zu
liefern, wie das gegenwärtig von Fabriken in Stuttgart,
Pforzheim und an andern Orten geschieht. Die hochkünst-

lerischen Griechen haben es mit den Barbaren, wie z. B.
den Scythen (den heutigen Aofaken), gerade so gemacht.
Was geht uns die Kunsterziehung der Peruaner und Mexi-
kaner an!

Wir geben uns auch nicht der Täuschung hin, daß
wir mit diesen: Renaissanceschmuck den Naturalismus auf
den: Gebiete der Goldschnücdekunst ganz aus den: Felde
schlagen; er hat, wie wir gesehen, selbst in der besten Zeit
der Renaissance zwischen den stilisirten Formen gewuchert,
und wird in Zukunft immer noch mitfortbestehen, da die
Liebhaber dafür nie fehlen werden; aber dieselben werden
wenigstens stark in die Minorität kommen. (Eben jetzt,
in der gegenwärtigen Saison ist ein gräuliches Favori Mode
geworden, nämlich eine Kreuzspinne, aus vielen perlen zu-
sammengefetzt, welche über eine Muschel oder Nadel oder
dergl. hinkriecht; das Ganze soll dann eine Broche vor-
stellen; in der That ein liebenswürdiges Einblen: für eine
Da:ne!)

Noch haben wir sodann ferner kaum nöthig zu ver-
sichern, daß wir der nwdernen Goldschniiedekunst den Besitz
mancher trefflicher neuer Motive, wozu z. B. besonders ge-
wisse Fassungen von Brillanten gehören, gerne zugestehcn. Sie
braucht dieselben keineswegs fallen zu lassen, im Gegentheil
:::ag aus der Verschnrelzung dieser Riotive und derjenigen
der Renaissance Originelles hervorgehen.

Warum es uns hier vor Allen: zu thun war, das ist,
das Bewußtsein zu erwecken, daß wir es bei der Wieder-
aufnahme der Renaiffanceschnmckformen :nit mehr als einer
flüchtig vorübergehenden Mode zu thun haben; daß wir
vielnrehr n:it dieser Wiederanknüpfung an unsere natio-
nalen Traditionen auch auf diesem Gebiete eine Bahn be-
traten, welche uns zu den: so ersehnten, eigenen, neuen Stile
führen kann.

Das deutsche Reich und die lumstindustrie.

Vortrag, gehalten im Münchener Kunstgewerbeverein am 8. März (88s von Fr. Pecht.

Meine Herren!

I ichts ist tröstlicher, als wenn man auf irgend
einem Felde n:e::schlicher Thätigkeit die Be-
AV _rw. dingungen gedeihlichen Wirkens neu geschaffen,
tpcnrt man wieder die Möglichkeit gesunder
Entwicklung, einer großen Zukunft vor sich sieht. Dann
arbeitet Jeder mit Vergnügen, Alles schreitet rüstig und
sicher vorwärts, denn jede Kraft wirkt doppelt, wenn sie
ein bestimmtes edles Ziel als erreichbar in Aussicht hat,
wenn die zu lösenden Aufgaben in richtigem Verhältniß zu

unserem Vermögen stehen. Weßhalb aber erst die Er-
richtung des deutschen Reiches auch für unsere Kunstindustrie
solch gesunden Boden gewonnen, das, meine perren, möchte
ich hier genauer nachzuweisen versuchen. — Sie Alle kennen
die Thatsachc, wissen, daß unser heute so hocherfreulich
aufgeblühtes Kunstgewerbe vor (870 wohl manche schöne
Reime, aber nur dürftige Früchte gezeitigt hatte, daß es
nur in den allerersten Anfängen vorhanden war, überdieß
selbst hier in München, am alten Sitze nationaler Kunst,
noch wenig Selbständigkeit und Charakter entwickelt hatte,

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