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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1881

DOI Artikel:
Friedrich, Carl: Geschichte der Elfenbeinschnitzerei, [3]
DOI Artikel:
Grünewald, F.: Die Schule der Robbia, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7025#0074

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allein zu nachhaltiger Bedeutung vermochte es diese Kunst-
weise, obwohl nun zur Darstellung von Menschen angewandt,
nicht mehr zu bringen, und sie scheint bald darauf ganz
vergessen worden zu sein. Endlich sei noch erwähnt, daß
der kunstsinnige Herzog von Luynes zu der Pariser
Weltausstellung von s855 eine 3 Meter hohe Pallas Athene

aus Gold (resp. vergoldetem Silber) und Elfenbein hat Her-
stellen lassen, * die aber keinen tieferen Eindruck hinterlassen
zu haben scheint.

* ijofvatfy Dr. G. Schäfer, die Denkmäler der Llfenbcinplastik
im Großherzoglichen Museum zu Darmstadt, p. (5.

Die Schule ö er Robb La.

Skizze von Grünenwald.

S war ein wunderbares Leben, das mit Be-
ginn des \5. Jahrhunderts in Italien er-
wachte und die Kunst einer höheren Entfaltung
entgegenführte. Genährt von dem Studium
der Antike, macht sich eine neue Weltauffass-
ung geltend, der Humanismus verdrängt die Dogmatik des
Mittelalters, das einzelne Individuum tritt mehr in den
Vordergrund, fein Denken und Schaffen steht über dem
Althergebrachten.

Durch das gleichzeitige Erwachen eines wissenschaftlichen
Sinnes war denr künstlerischen Streben wiederum ein reicher
Inhalt geboten und mannigfache ergreifende Werke ent-
standen im sö. und (6. Jahrhundert und zeigen die groß-
artigen und vollendeten Resultate dieses Strebens.

Schon im Jahrhundert beginnt die Plastik, in den
vorigen Jahrhunderten zur Kleinkunst herabgesunken, all-
mälig sich neu zu beleben; durch einen neuen Fa^aden-
und portalbau ward ihr von der Architektur wieder Ge-
legenheit zu neuer Entfaltung gegeben.

Der stilistische Charakter dieser neuen Richtung ist ein
hochernster, immer noch streng typischer und an das Her-
kommen gefesselter; das Streben, sich von der traditionellen
Form, von der längst nicht mehr verstandenen Antike frei
zu machen, wird immer mächtiger. Neben dem herkömm-
lichen und geheiligten Stil macht sich allmälig ein jüngerer
geltend, der sich von der einmal angenommenen Anordnung
und Stellung der Figuren frei zu machen sucht und den
aszetischen Gestalten der Byzantiner mehr jugendliche ent-
gegensetzt. Ein wilder Naturalismus bemächtigt sich durch
dieses noch vollständig unbewußte Streben der italienischen
Plastik; die alten Bahnen waren von ihr verlassen, noch
ehe sie sich über die neuen Wege klar war. In einzelnen
Werken dieses jugendlichen Stils ist die Form schon durch
ein jugendliches Leben erfüllt, ein leiser pauch höherer Em-
pfindung durchzieht dieselben manchmal und zeigt den er-
wachenden Schönheitssinn.

Mächtig fordernd wirkt das erwachende Bewußtsein
des Künstlers, er vergißt jetzt niemals, seine Werke mit
seinem Namen zu bezeichnen; sein Horizont, vorher die
Enge der Klosterzelle, erweitert sich, er nähert sich wieder
der bis jetzt verpönten Natur und versucht, dieselbe in seinen
Werken wiederzugeben. Ebenso fördernd wirkt das allmälige
Loslösen der Plastik aus ihrer Abhängigkeit von der Archi-
tektur; wo sich dieselbe noch mit letzterer verbindet, geschieht
es freiwillig.

X

Plastik und Malerei, mehr als Architektur von der
freien Stellung des Individuums abhängig, konnten sich
daher erst jetzt mehr entfalten.

Endlich brachte der große Nicolo Pisano I20-s— (280)
die Plastik in neue Bahnen. Sein freier Blick ließ ihn 5cn
Weg zur Antike zurückfinden; in möglichst treuer Nach-
ahmung derselben sucht er seinen erwachten Natursinn,
welcher jedoch noch nicht zum selbständigen Schöpfen aus
der Natur erstarkt war, zu unterstützen.

Nicolo Pisanos Sohn, Giovanni Pisano ((2H5—\52\),
sucht sich mehr als fein Vater der Natur zu nähern und
strebt, wenn auch manchmal auf Kosten der Schönheit, den
geistigen Ausdruck zu steigern.

Das Streben nach voller Lebenswahrheit, nach großer
Naturtreue, verbunden mit hohem geistigem Ausdruck,
welches der Grundzug der neuerwachten Kunst ist, theilen
alle bedeutenden Künstler dieser Periode. Der große Giotto,
Andrea Pisano, Andrea di Cione (Orcagna) vollenden das
von Nicolo Pisano begonnene Werk und bringen die Kunst
zu immer höherer Entwickelung

Im (Quattrocento endlich erreichte die Kunst die höchste
Stufe. Auch jetzt verharrt dieselbe noch im Dienste der
Kirche, aber es war ein freiwilliges Dienen; während sie
früher die religiösen Stoffe um derer selbst willen behan
delte, geschieht es jetzt nur aus reiner Freude am Schönen.

Der Künstler steht in innigster Verbindung mit der
Natur, entnimmt ihr seine Gestalten und belebt sie aus der
Tiefe seiner Seele; sein ernstes Streben, feine hohe Auf-
fassung der Kunst, sein großer Schönheitssinn stellen den
Künstler des Quattrocento über denjenigen des Cinquecento.
Dabei steht ersterer bei allem Studium der Antike derselben
doch freier gegenüber, als spätere Meister in ihrem bewußten
Antikisiren.

Die großen Meister, welche uns mit Beginn des
(5. Jahrhunderts entgegentreten, können sich noch nicht
gänzlich von der Kunst des (^.Jahrhunderts loslösen. Selbst
der große Ghiberti bildet noch in der Kunstweise, wie sie
durch Orcagna ihre letzte Ausbildung erhalten hat. Ihm
fehlt noch das tiefe Naturstudium der späteren Künstler,
wenn er auch in der Großartigkeit der Auffassung, sowie
Klarheit der Komposition von Keinem übertroffen wurde.

Erst der Zeitgenosse des Ghiberti, Donatello, leitete
die italienische Plastik in Bahnen, welche dieselbe befähigten,
das Höchste zu erreichen.

(Schluß folgt.)
 
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