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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1881

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Friedrich, Carl: Geschichte der Elfenbeinschnitzerei, [3]
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■h 65 -4

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Die Geschichte der Elfenbeinschnitzerei.

Von Carl Friedrich.

IT dem Betreten des griechischen Bodens
verließen wir das Gebiet Jahrtausende langen
Stillstandes, wir kamen zu einem Volke, dessen
Kulturentwicklung ein rasches Fortschreiten
ausweist. Tin frischer Luftzug von der See
und den Gebirgen her streicht durch die Thäler des Landes und
bewahrt Geist und Körper der Bewohner vor stumpfer Ab-
spannung, befähitzt dieselben im Gegentheile zu energischem,
thatkräftigcm handeln, erfüllt sie mit freudiger Schaffenslust.
Allerdings waren die Griechen auch, kaum daß sie sich aus
dem rohen Urzustände herausgearbeitet hatten, in der glück-
lichen Lage, ringsherum hochcivilisirte Völker vorzufinden
und die Errungenschaften der alten Kultur derselben sich zu
Nutzen zu machen. Diese bedeutsamen Einflüsse, die in
gleicher Weise von Aegypten und Asien her sich in Griechen-
land wie in einem Brennpunkte fanden, trugen nicht das
Wenigste zu denr wunderbar raschen Aufschwung des
Hellenenvolkes bei.

Ulan hat zwar häufig jedwede äußere Einwirkung
auf Griechenland, wenigstens von Seite des ältesten Kultur-
landes, von Aegypten her, in Abrede gestellt, und der be-
kannte Leipziger Professor I. Overbeck hält in der dritten
Auflage seiner „Geschichte der griechischen Plastik" diese
Theorie beinahe mit derselben energischen Bestimmtheit und
Ausschließlichkeit aufrecht, wie in den zwei vorhergegangenen.
Allein so steif auch manche Archäologen noch an der Be-
hauptung dieses für ihre Systeme wichtigen Postens, nach-
dem ihnen so und so viele andere gewaltsani entrissen
worden sind, festhalten mögen, die gesunde Logik und die
geschichtlichen Thatsachen haben ihn derart erfolgreich be-
rannt, daß seine endliche Uebergabe von Seite des ihn
noch vertheidigenden Häufleins nur mehr eine Frage der
Zeit sein kann. Ganz abgesehen davon, daß die Phönizier
schon in der frühesten Periode ägyptische Erzeugnisse nach
Griechenland brachten, daß diese Produkte formell ebenso
sehr wie technisch den Griechen zum Muster dienen mußten,
als diese selbst zur Kunstthätigkeit übergingen, abgesehen
auch von den Einwanderungen aus dem Nilthale, die sich
in der Sage erhalten haben, wurde den Griechen ungefähr
um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Ehr. durch psam-
metich Aegypten und seine Häfen geöffnet, und es hieße
alle anderweitigen Erfahrungen aus der Geschichte verleugnen,
wenn man sich diese Thatsache, die zudem von einer
griechischen Ansiedlung und der Gründung eines Stapel-
platzes für den Elfenbeinhandel begleitet war, ohne weit-
greifende Folgen denken wollte. Die Förderung, welche den
Griechen dadurch nach allen Beziehungen zu Theil ward,
läßt sich kaum mehr im ganzen Umfange ermessen, namentlich
können wir uns dieselbe nach der technischen Seite hin
schwerlich groß genug vorstellen, indem ja die Aegypter
gerade hierin auf einer sehr hohen Stufe und über allen
anderen Nationen standen. Die Sage von Dädalus und

III.

seinen verschiedenen Erfindungen gibt diesem Thatbestande
einen nicht mißzuverstehenden, wenn auch etwas abgeblaßten
Ausdruck, und es darf gewiß nicht als Zufall angesehen
werden, daß gerade um jene Zeit oder doch nicht viel
später, die Erfindung der Eifenlöthung, des Erzguffes, der
Marmorbearbeitung u. dgl. in Griechenland auftauchte.

Nun inuß man aber nicht, wie auch Einzelne gethan,
gleich wieder das Kind mit dem Bade ausfchütten und
behaupten wollen, die griechische Kunst sei von da ab eine
geraume Zeit hindurch sichtbar eine rein ägyptische gewesen.
Denn davon ist und kann keine Rede sein, weil jedes Volk
eine Individualität für sich repräsentirt und selbst bei ganz
gleichem Streben es zu sehr verschiedenen Resultaten bringen
müßte; vorab gilt dieß von einein so eminent beanlagten
Stamme, wie die alten Griechen waren. Schön und richtig
hat das stattgehabte Verhältniß Prof. Or. Heinrich von
Brunn, der Begründer der griechischen Künstlergeschichte,
veranschaulicht, wenn er sagt, daß die Griechen, gleichwie
sie die Buchstaben von den Phöniziern überkamen, sie aber
von Grund aus umgestalteten, ebenso das Alphabet der
Kunst von andern Völkern erhielten, aber von Anfang an
eine andere Sprache redeten. Am augenfälligsten zeigt sich
dieß darin, daß sich die griechischen Künstler, gleichviel ob
sie das Handwerk des Hephästos oder des Dädalus trieben,
schon in der allerältesten Zeit individuell von der Masse
abhoben.

Wenn wir auf unserem eng begrenzten Gebiete, denr
der Elfenbeinschnitzerei, Umschau halten, dann werden wir
Schritt für Schritt das Gesagte bestätigt finden und damit
zugleich eine Erklärung des raschen Aufschwunges, den dieser
Zweig und mit ihm die ganze Kunst nahm, erlangen.
Zwar erfahren wir in der ersten geschichtlichen Zeit bis zu
den beginnenden Künstlerschulen über Elfenbeinschnitzerei
nur sehr wenig, aber dieses Wenige ist von großer Be-
deutung und reicht gerade hin, uns den ganzen Gang der
Entwicklung erkennen zu lassen.

In Aegypten und nicht minder in Asien sahen wir
bisher häufig das Elfenbein in Verbindung mit Holz und
Gold gebracht an Gcräthen sowohl wie an figürlichen Dar-
stellungen, und Layard hat, gestützt auf diese Thatsache,
gewiß mit Recht die Vermuthung ausgesprochen, daß die
Anfänge der Goldelfenbeinplastik hierin zu suchen feien.
Der rege Verkehr, der schon in homerischer Zeit zwischen
jenen Völkern und den Griechen bestand, brachte diese
Technik zugleich mit dem Rohstoffe des Elfenbeins nach
Griechenland, wo sie aber zur höchsten Vollendung geführt
werden sollte.

Schon die ersten und einzigen Nachrichten, die uns
über die beginnende historische Zeit nach dieser Hinsicht
überliefert sind, legen ein bedeutsames Zeugniß hiefür ab.
Dieselben betreffen die oft erörterte berühmte Lade des
Kypfe l o s, welche von dem korinthischen Tyrannengeschlechte

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