Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1881

DOI Artikel:
Krell, Paul F.: Schmuck, [2]: Vortrag, gehalten den 22. Februar 1881 im Münchener Kunstgewerbeverein
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7025#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6 ch m u ck ^

Vortrag, gehalten den 22. Februar ^88\ im Münchener Kunstgewerbeverein von Professor Or. P.F. Krell.

(Schluß.)

5 sind diskrete Dinge, welche dein Ent-
stehen mancher Moden zu Grunde
liegen, die deßhalb auch nur selten an
die Oeffentlichkeit dringen, persönliche
Eigenheiten des Charakters und des
Körpers, Vorzüge, die gehoben und
gezeigt, schwächen, die verdeckt sein
möchten, ja die Eifersucht, die Mißgunst, welche etwas einem
Andern Günstiges zu verhindern sucht, kann dabei mit im
Spiele sein.

Es ist interessant, in der Geschichte der Mode darüber
nachzulesen. Man muß jene Kapitel ausschlagen, welche
Epochen schildern, in welchen die Kleidung zu den Haupt-
interessen gehörte und anerkannte Herrscher im Reiche der
Akode existirten und somit die Gründe für die einzelnen
Modeerscheinungen leichter aufzufinden waren. Ergötzliche
Details kamen da zu Tage und wurden von der Geschichte
verzeichnet.

Besonders viel wird uns von der Mitwirkung der fran-
zösischen Herrscher, ihrer Gemahlinen und Maitressen an
der Gestaltung der Mode berichtet. Pier nur ein Beispiel:
Mir erfahren von König peinrich II., daß er die übertrieben
großen palskrägen (iraises), die sog. Schüsseln des Pauptes
Johannis, welche das Essen nur mit ellenlangen Löffeln
gestatteten, in Ausnahme brachte, weil er damit eine häß-
liche Narbe am palse verdecken wollte.

Zuweilen haben auch Gründe rein industrieller Art
eine Mode bewirkt; so wurde seiner Zeit die französische
Armee thatsächlich deßhalb mit den berühmten rothen Posen
ausgestattet, um der Krappindustrie des südlichen Frankreichs
aufzuhelfen. Andererseits haben wieder neue Erfindungen
die Mode beeinflußt, so z. B. die Entdeckung der Anilin-
farben oder die Billigkeit eines neuauftauchenden Rohstof-
fes, wie das gegenwärtig mit der Jute der Fall ist. So
spontan und willkürlich solche Erscheinungen indessen aus-
sehen mögen, so wird doch auch bewußt oder unbewußt
dem Zeitgeiste und dem Geiste der jeweiligen Nation dabei
Rechnung getragen. Mas der einen Zeit altväterisch und
schwerfällig oder anstößig und unnational erscheint, findet
eine andere kleidsam, reizend, modern und durchaus paffend.

X_

Je geringer nun das Kunstvermögen und Kunstver-
ständniß einer Epoche ist, desto größer werden die Thor-
heiten oder sagen wir lieber Unschönheiten der Mode, denn
starke Tapricen finden sich auch in künstlerisch bedeutenden
Zeiten (man betrachte z. B. die Tracht der ersten Frau des
Rubens ans seinem Gemälde in der alten Pinakothek in
München). Es handelt sich jedoch um die Strömung im
Großen und Ganzen, um den Grundzug Dessen, was ton-
angebend ist.

Es nmß eine Zeit und eine Nation schon ganz durch-
drungen sein von der Kunst, dieselbe muß in Fleisch und
Blut übergegangen sein, ihr Geschmack muß eine bestimmte
Richtung angenommen, d. h. mit einem Mort, sie muß
einen eigenen Stil gewonnen haben, wenn im Kostüm,
in Kleidung und Schmuck mehr als vereinzelt schöne cha-
raktervolle Erscheinungen zu Tage trete» sollen.

Km den festen Stamm dieses Stiles mit seinem aus-
gesprochenen Muchs rankt sich dann die wechselnde Tages-
mode. Mögen nun auch einige Ranken zu weit ab sich
verlieren und in schlimmen Farben schillern, das Gesammt
bild bleibt doch ein anmuthvolles.

Die Mode in der Kleidung geht zu rasch, als daß man
mit ächtem Schmuck ihr folgen könnte. Es käme dies
viel zu theuer. Dieser rasch wechselnden Tagesmode (die
wohlverstanden oft zugleich auch ein Befreien aus drückendem
Ernste der Stimmung bedeutet) trägt aber der speziell so
genannte Mode- oder phantasieschmuck Rechnung. Er
bedient sich billiger Stoffe als Surrogate für die edlen. Es
ist eine gar bunte Reihe von Stoffen und Formen, die in
wenigen Zähren an uns vorübergezogen, Tula, Nickel, Stahl,
Tomback, Talmi, Thinafilber, Schildkrot, Schet, Kautschuk,
Celluloid, künstliche Edelsteine und Perlen, tropische Käfer,
Aluminium, Achat, Perlmutter, blutrothe Korallen, dann
wieder rosenrothe u. s. w.

Gewisse Materialien, wie z. B. die eben genannten
Korallen, sodann der Bernstein, die Türkisen, Granaten
u. a. m. stehen aus der Grenzlinie zwischen kostbar und
billig. Da sie denn doch zu den ächten soliden Stoffen zu
zählen sind, so rangiren sie mit im bessern Schmuck der
Mittlern und untern Klassen, während sie von den obern

L
 
Annotationen