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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1881

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Pecht, Fr.: Das Deutsche Reich und die Kunstindustrie: Vortrag, gehalten im Münchener Kunstgewerbeverein am 8. März 1881
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https://doi.org/10.11588/diglit.7025#0057

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daß unsere Industrie bei allen Erzeugnissen, die schwer ins
Gewicht fallen, wie 3. B. Möbel und ganze Zimmerein-
richtungen, Tapeten, Teppiche, schwere Sammete ic., die
französische Waare nicht nur fast ganz verdrängt hat, son-
dern bereits ihr auch im Auslande eine sehr starke Kon-
kurrenz macht, wie denn 3. B. die Lyoner Seiden- und
Sammetmanufaktur sehr unter dem großen Aufschwung
und den mächtigen Fortschritten unserer Trefelder und El-
berfelder Seidenindustrie leidet, während ganze Toiletten
noch massenhaft bei uns eingeführt werden.

Es muß also unser beständiges Bestreben sein, bei einer
ohnehin nicht mehr lange ausbleibenden Revision unseres
viel zu hastig abgefaßten Zolltarifs vor Allem auf die
Vertauschung der Gewichts- mit Werthzöllen bei den meisten
Produkten der Kunstindustrie hinzuarbeiten. Dazu gibt aber
der von unserem Kanzler neu eingeführte Volkswirthschafts-
rath, der demnächst auf das ganze Reich ausgedehnt werden
wird, die allerbeste handhabe und unser Verein hätte vor
Allem dahin zu arbeiten, daß er in ihm vertreten werde.
Unter allen Umständen aber sind die wirthschastlichen Fragen
bei uns jetzt von solcher Wichtigkeit für die nächsten Jahre,
das Wohl jedes einzelnen Kunstgewerbetreibenden ist so ent-
schieden von ihrer Entscheidung in unserem Sinne bedingt,
daß Sie bei den bevorstehenden Wahlen Ihre Stimmen nie
anderen Vertretern geben dürfen als solchen, welche sich
verpflichten, für den Schutz der nationalen Arbeit mit allen
Kräften einzutreten, welcher politischen Richtung sie sonst
immer angehören.

Meine pcrren! Es liegt Ihnen, die Sie zum großen
Theil aus Künstlern bestehen wie uns Münchenern über-
haupt, sehr nahe, sich um derlei wirthschaftliche Fragen viel
zu wenig zu bekümmern, ja wohl gar sie init leicht erklär-
licheni Idealismus zu behandeln. Wenn nur nicht der
Wohlstand und die Blüthe der Nation und damit Ihr eigenes
Wohlergehen durch dieselben in so hohen: Grade bedingt
wären! Ein blühendes Gewerbe, ein starker Nationalgeist,
der sich in jedem Erzeugniß ausspricht, Allem seinen Stempel
aufdrückt, sie sind aber die einzige gesunde Grundlage auch
für die Kunst. Alle die Staaten, die eine wahrhaft klas-
sische und lebendige Kunst erzeugten, hatten vorher schon
eine große Industrie und erst aus ihr und den: Wohlstand,
den sie verbreitete, sproßten dann die edelsten Blüthen jener
empor. Athen und Venedig, Florenz und Antwerpen,
ganz so wie Paris heute, waren große Fabrikstädte, indu-
strielle Tentren schon lange, ehe sie jene Meisterwerke er-
zeugten, die heute die Bewunderung der Welt sind. Blicken
Sie selber um sich, wer denn die Abnehn:er unserer Bilder
seien, wer palläste und Villen bauen oder sie mit allem

Köstlichen schmücken lasse, so sind es iminer wieder reich
gewordene Industrielle, Kaufleute, Bankiers, Eisenbahn -
Unternehmer, die von den Früchten ihrer Arbeit diesen edlen
Gebrauch nmchen. Wie selten ist ein Schack in der alten
Aristokratie, die auf bestimmte regelmäßige Einnahmen
angewiesen ist, und daher so große Ausgaben fast nie machen
kann. Obwohl aber die Blüthe unserer Stadt durchaus
mit der der Kunst- und Kunstindustrie aufs Engste ver-
knüpft ist, so haben wir doch ihre Vertretung bis heute
wohl Juristen und Professoren, Geistlichen und Kaufleuten,
nie aber einen: Künstler oder Kunstindustriellen übertragen,
während sie in: Reichstag so nothwendig wären. Der
Ruhn: und Glanz der modernen Staaten beruht aber zum
weitaus größten Theile auf der Blüthe ihrer Arbeit, auf
der Intelligenz, mit der ihre Vertretung gehandhabt wird,
auf dem Patriotismus, mit den: sämmtliche Bürger die
Interessen und die Ehre ihres Landes allem Anderen
voranzusetzen, sie jederzeit in: feindlichen Wettstreit der Na-
tionen, nicht weniger als im Kriege, zu vertheidigen be-
reit sind.

Mit dem Gesagten glaube ich Ihnen ausreichend ge-
zeigt zu haben, in welch' genauen: Zusammenhang die Ehre
und das Wohlsein jedes einzelnen Bürgers mit der Ehre,
Macht und Größe unseres neuen deutschen Reiches steht,
mit ihr steigt und fällt, und wie Nationen eine ehrlose und
beschämende Stellung so wenig als der Einzelne ertragen,
wie solche auf ihre gesammte Lebensthätigkeit hcn:me::d
zurückwirkt. Darum sagt denn auch unser großer Dichter
so schlagend wahr: „Nichtswürdig ist das Volk, das nicht
sein Alles setzt an seine Ehre!"

Daß unser deutsches Volk dies in so wahrhaft glän-
zender Weise im Jahre s870 gethan, den: verdankt es eine
Periode des Segens und der Freiheit, wie sie ihn: seit
Jahrhunderten nien:als auch nur entfernt zu Theil ge-
worden. Wir Alle, wie wir sind, würden nicht in diesen:
schön geschmückten Pause sitzen, wenn uns nicht jenes Jahr
die Möglichkeit geboten hätte, es zu bauen.

Also halten Sie auch in Zukunft fest an: großen Ganzen,
an unserem Peldenkaiser wie an den gewaltigen Männern,
die unter ihm das vorher so unbehilfliche und zersplitterte
Reich mit der Pilse unseres Königs und dem Blute vieler
von Ihnen zusammengeschmiedet, lassen Sie sich nicht irre
machen, weder von rechts noch von links, in der heiligen
Liebe und in dem Stolz auf Ihr großes Vaterland, in der
Eifersucht auf seine Ehre und der sorgfältigen Wachsamkeit
über all' seine Interessen. Denn in der Stärke Ihres
Patriotismus beruht die höchste und sicherste Bürgschaft für
sein wie Ihr eigenes geistiges und materielles Wohl!
 
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