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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1884

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Hirth, Georg: Franz v. Seitz und Lorenz Gedon: Gedächtnißrede, gehalten im Saale des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins am 8. Januar 1884
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https://doi.org/10.11588/diglit.7028#0009

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v. und Donenz Gedon.

Gcdächtnißrede,

gehalten im Saale des Bayerischen Aunstgewerbe-Bereins am 8. Januar ^88Z, von Dr. Georg tjirth.

Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,

Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,
Aufbaut auf dem betrüglichen Grundel

ILSLS wehmüthige Dichterwort können
wir, liebe Freunde, als Sinnspruch auf
den letzten Jahresabschluß unseres Vereins
schreiben. Denn wahrlich, eindringlicher,
als in diesem Jahre, ist unser Verein noch
nie an die Vergänglichkeit alles Irdischen
gemahnt worden. Franz Seitz und Lo-
renz Gedon im Verlaufe weniger Mon-
den dahingerafft — nicht wahr, wenn uns
heute vor'm Jahre, als wir in diesem Saale in begeistertem
Wortkampsc um die Ausgaben einer deutsch-nationalen Kunst
stritten, wenn uns da Liner gesagt hätte, daß jene beiden
Hauptträger unserer Bestrebungen das Jahresende nicht
erleben würden, wir hätten's ihm nicht glauben können,
nicht glauben dürfen. Denn es ist wohl eines der schönsten
Menschenrechte, daß wir da, wo blühendes Leben sprießt
und schafft, nicht an die kalte Hand denken, der wir Alle
ja doch verfallen sind.

Und nun gar diese Beiden, von denen Jeder ein leib-
haftiger Spiritus familiaris unseres Vereines war, ein guter
Hausgeist im schönsten Sinne des Wortes! Da, hier an
diesen Tischen haben sie noch vor Jahresfrist unter uns
gesessen, rathend und helfend, in frohester Laune, und wenn
wir uns die Beiden so recht vergegenwärtigen, dann meinen
wir sie leibhaftig vor uns zu haben, wir sehen sie dort unter
der Thüre erscheinen, und wir möchten ihnen, den herzlich
Willkonmrenen, mit dem altgewohnten „Grüß Gott!" Platz
machen.

Das ist das mindeste Anrecht, welches die Beiden,
der Junge wie der Alte, sich erworben haben, daß
ihr Andenken dauernd lebendig unter uns bleibt, daß
ihr Geist unter uns wirklich fortlebt. So lassen Sie uns
denn, geehrte Freunde, heute nicht mit dem unerbittlichen

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Schicksal hadern, nicht in bitteren Klagen uns ergehen;
sondern versuchen wir, ein freundliches Lebensbild der
Beiden zu entrollen, lassen Sie uns den geliebten Todten
einen Tribut der Verehrung und Dankbarkeit zollen. Und
wenn wir damit den guten Vorsatz der Nacheiferung ver-
binden, so sind wir sicher, auch im Geiste der Verstorbenen
selbst zu handeln.

Denn der Grundzug ihres ganzen Wesens war Beglück-
ung ihrer Mitmenschen, ihrer Freunde und Gesinnungs-
genossen durch die Sonne der Kunst! Schnöder Ligennutz
und eitle Ruhmsucht waren ihrem Wesen fremd, dagegen
waren sie Beide beseelt von einer nie rastenden, durch keine
Lnttäuschung erlahmenden Begeisterung für das Schöne, für
das Ldle und Gute. Wenn wir die abgeschiedenen Freunde
der kleinlichen, unschuldigen Schwächen entkleiden, ohne die
auch der Beste nicht durch dieses Lrdenthal wandert, so er-
scheinen sie uns als außergewöhnliche Idealgestalten, wie uns
unter Tausenden und Abertausenden Sterblicher kaum eine
begegnet. Ist es aber schon ein merkwürdiges Zusammen-
treffen, daß zwei solche hervorragende Menschen aus demsel-
ben Wirkungskreise in einer so kurzen Frist abgerufen werden,
— ein Zusammentreffen, das wohl am Meisten unser Verein
zu betrauern hat, — so erscheint das Verhängniß fast wie
eine höhere Fügung, wenn wir uns der innigen Freund-
schaftsbande erinnern, welche Franz Seitz und Lorenz Gedon
umschlungen hielten. Dieses enge Band war freilich kein
bloßer Zufall des gesellschaftlichen Verkehrs; wer die Beiden
ganz gekannt hat, der wird es verstehen, wenn ich sage: ihre
Liebe war wie das Rauschen des Windes im Walde, der
mit demselben Athem die Krone der schlanken Tanne wie der
knorrigen Liche bewegt. Ihre Seelen hingen an denselben
Idealen, ihre Herzen schlugen für dieselbe^ Sache, und, als
ob sie an einer Mutterbrust getrunken hätten, so hatte die

Zeitschrift des Aunstgewerbe-Vereins München.

*884. Heft * & 2 (Bg. *).
 
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