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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1884

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Haushofer, Max: Die Poesie unseres Hausraths, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7028#0065

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■3- 57 -§•

\

Plafondfüllungen. §s-

Liitworfen und im Arzberger Keller zu München ausgeführt von V. Kupp (Schleißheim).

Oie IIoesie unseres Hsusrslhs.

von Dr. Max kfaushofer.

enn wir in ein f)aus eintrcten, welches einge-
richtet, aber seit langer Zeit nicht mehr bewohnt
ist, dann werden wir leicht von einer eigen-
thümlichen Empfindung heimgesucht, von der
Empfindung nämlich, als ob die Menschen, welche früher
öa wohnten, als Unsichtbare zurückgeblieben wären. Diese
Unsichtbaren sitzen auf den verschossenen Möbeln, halten
öie Thüren der Schränke und Kästen zu, wenn man sie
öffnen will; sie stöhnen und knarren in den Winkeln und
spielen mit den Staubfäserchen, die im Sonnenstrahl auf-
und niedertanzen.

Es ist eine lang bekannte Thatsache, daß der Mensch
und seine Umgebung wechselseitig aufeinander einwirken.
Der Mensch verändert seine Umgebung und drückt ihr sein
eigenthümliches Gepräge auf. Und die Umgebung des
Menschen wirkt auf ihn ein, indem sie beständig um ihn
ist, indem sie gewisse Gedankenkreise und Anschauungen
heständig wachruft und andere fernhält. Der Mensch wird
nicht nur durch feine Litern und Lehrer erzogen, sondern
auch durch die leblosen Dinge, mit welchen er immerfort
in Berührung tritt. Indern er dieß und jenes zum Eigen-
ihum erwirbt, dieß und jenes gebraucht und schafft, webt
er sich in ein großes Netz von Lebensbeziehungen ein. Zu
diesem Netz hat alles Mögliche Platz: Freunde und ver-
wandte, Haus und Heimat, Erlebnisse und Arbeiten. Und
während die einen dieses Netz von Lebensfäden nach den
Ernsten Punkten hin anknüpfen, weben Andere das ihre
tn einem ganz kleinen Raum um sich her.

Dieses Zurückbleiben der Menschen nach dem Tode in
ihren Wohnungen war's wohl, was bei den altitalienischen
Völkern, bei den Etruskern und nach ihnen bei den Römern

den Mythus der Familiengötter, der Laren entstehen ließ.
Die Laren repräsentirten das Heimatsgefühl, das im Vater-
hause wohnt; die vertrauliche Sicherheit eines angestammten
Heimwesens. Sic waren die Geister der Vorfahren, die
sich mit liebender Sorgfalt ihrer Nachkommen annahmen.
Neben diesen Laren aber wirkten als Hausgötter noch die
Penaten, die Schutzgötter der Vorrathskammer. Der
Herd des Hauses war die Stätte, wo diese Götter verehrt
wurden, wo ihre Bilder standen, Anfangs aus schlichtem
Holze geschnitzt, in späteren üppigeren Zeiten aus Marmor
und edlen Metallen. Als Mpfergaben erhielten sie Früchte
und Kränze und bei den Mahlzeiten Speisen in kleinen
Schüsselchen. Zu diesem Vpfer mußte selbst der einfachste
Haushalt wenigstens ein Salzfaß und eine kleine Speise-
schüssel von Silber besitzen. Mitunter ließ man auch für
die Hausgötter einige Speisen auf dein Tische liegen und
die Lampe dabei brennen. Bei der Heirat opferte die
junge Frau den Laren; bei einer Abreise nahm man
Abschied von ihnen und begrüßte sie wieder bei der Heimkehr.

Das Wesen der Penaten erscheint dunkler und räthsel-
hafter, als jenes der Laren. Während die Laren die Ahnen-
geister sind, erscheinen die Penaten als geheimnißvolle Kräfte,
im Innersten des Hauses waltend. Auch sie werden auf
dem Herde verehrt; auch ihnen wird geopfert und ihre
Bilder mit 'Kränzen geschmückt. Aber sie sind keine ver-
wandten des Menschen; sie sind Naturkräfte, welche dem
Menschen Nahrung spenden und ihn erhalten. Man dachte
sich, daß mit den vorräthen, welche in Keller und Speise-
kamin er gebracht waren, hülfreiche erhaltende Erdgeister
in's Haus gezogen seien, die dem Menschen seine Habe
spenden und die Haussiamme ernähren.
 
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