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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 2
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Künstler-Anekdoten
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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0095

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DEGAS-ANEKDOTEN
aus dem Buch von Ambroise Vollard.*)

Als Degas eines Abends durch den Parc Monceau ging,
verwickelte er sich in Eisendrähte, die um die Rasen-
flächen gezogen waren. Als ein Vorübergehender empört
ausrief: „Diese verdammten Eisendrähte, die nur dazu da
sind, daß die armen Fußgänger darüber fallenI" sagte Degas:
„Bewahre, die sind zum Schutz gegen die Leute da, die
Statuen auf den Rasen stellen wollen".

*

Bonnat zeigte das Bild eines seiner Schüler, das einen
bogenspannenden Krieger darstellte. „Wie gut er zielt,
nicht wahr Degas?" „Ja, er zielt nach einer Medaille."

*

„Sie müssen sich zwingen", sagte der Arzt zu Degas,
„in die frische Luft zu gehen, außerdem wird es Sie auch
zerstreuen". „Ja, aber lieber Freund, wenn es mich nun
langweilt, mich zu zerstreuen?"

*

Eine Dame sagte zu Degas mit einem Ton, als ob sie
eine ihn sehr interessierende Mitteilung zu machen hätte:
„Mein Sohn beschäftigt sich mit Malerei und ist so ,ehrlich'
vor der Natur . . ."

„Wie alt ist Ihr Sohn, gnädige Frau ?"

„Bald fünfzehn Jahre."

* Verlag- Bruno Cassirer, übersetzt von Margarete Mauthner.

„So jung und schon ehrlich vor der Natur!" platzte
Degas heraus. „Nun, gnädige Frau, dann ist er verloren."

*

Degas sagte mir eines Tages, wie wohltuend ihm
eine Ausfahrt in einem offenen Wagen gewesen sei, wie
gut die Luft war, die man einatmete. „Herr Degas",
erlaubte ich mir zu erwidern, „warum haben Sie nicht einen
eigenen Wagen?" Er sah mich mit so ungeheucheltem Er-
staunen an, daß man sogar ein wenig Zorn dahinter fühlte:
„Ich soll mir einen eigenen Wagen halten! Sie wollen,
daß ein Künstler in der eigenen Equipage fährt!"

*

Degas: „Ich kann dich nicht mehr brauchen!"
Das Modell: „Herr Degas, Sie haben mir doch gesagt,
daß ich so gut sitze . . ."

Degas: „Ja, aber du bist Protestantin, und die Protes-
tanten und die Juden gehen Hand in Hand in der Affäre

Dreyfus!"

*

Ein einziges Mal blieb Degas eine Antwort schuldig.
Das war, als er einmal mit dem Maler-Steuereinnehmer
Rousseau zusammenkam und dieser ihn ganz gemütlich
fragte: „Na, Herr Degas, geht's denn mit dem Verkauf nach
Wunsch?"

DREIUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ZWEITES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 23. OKTOBER. AUSGABE AM 1. NOVEMBER

NEUNZEHNHUNDERTVIERUNDZWANZIG. REDAKIION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN

GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR.RICHTER, G. M. B. H., LEIPZIG
 
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