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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 3
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Scheffler, Karl: Hans Thoma
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0098

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H\

HANS THOMAf

VON

KARL SCHEFFLER

Der Tod reinigt vom Unwesentlichen. Ein
Leben mag in Wirrnis auslaufen, ein Mensch
mag sich mit Taten und Worten selbst überleben:
in dem Augenblick wo er stirbt, tritt das Wesent-
liche seiner Natur wie von selbst hervor. Der
Tod bringt das beste, was im Menschen war, das
Persönliche, das ihm allein gehört, zu einem neuen
Leben. In diesem Sinne idealisiert der Tod jeden
Menschen — und vor allem den Künstler.

Thoma, der,fünfundachtzigjährig, lebenssatt, nun
gestorben ist, wächst durch seinen Tod. Das Wesent-
liche dieses wesentlichen Menschen überstrahlt
das, was in seiner Kunst gebrechlich, in seiner
Natur nachgiebig war. Stark und rein wird an-
gesichts seines Heimgangs jenes Wunder empfun-
den, das jedesmal wieder Fleisch wird, wo eine
schöpferische Persönlichkeit, ein Talent aufsteht.
Nur die guten Bilder scheinen uns noch zu leben;
und hinter ihnen steht ein Meister.

Thomas Name ist nicht selten kritisch genannt
worden. Doch trifft die Kritik mehr das, was

wundersüchtige Verehrer aus dem Talent gemacht
haben. Man wendete nichts gegen Darwin ein,
manches jedoch gegen die Darwinisten, man schätzte
Richard Wagner nach Gebühr, verurteilte aber
die Wagnerianer; man konnte Thoma lieben und
ihm zugleich grollen um derer willen, die man
Tbomasianer nennen könnte. Jetzt ist es nicht
mehr nötig. Denn der Tod stellt die Dinge auf
den rechten Platz, er rückt die Gestalt des Künst-
lers ins Geschichtliche.

Freilich ist Thoma schon zu Lebzeiten ein
wenig geschichtlich geworden. Weil er ein hohes
Alter erreichte und das Greisenalter für ihn recht
eigentlich die Zeit der Erfüllung war. Unwillkür-
lich stellen wir uns Feuerbach als Jüngling oder
doch als jünglingshaften Mann vor, Leibl als eine
ruhige, reife Männlichkeit, Thoma jedoch als einen
gesunden Greis. Seine Persönlichkeit und Kunst
strahlt Optimismus aus, heitere Gelassenheit, be-
ruhigende Zuversicht und unerschütterliche Gläu-
bigkeit. Das Lebenswerk ist wie ein Bilderbuch

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