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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 5
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0221

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Als Odilon Redon seinen „Apollo auf dem Sonnen-
wagen" malte, sah ihm eines Tages sein junges, eben vom
Lande gekommenes Dienstmädchen zu. Sie sagte nach
einer Weile: „Meister, eines muß ich Ihnen sagen: das ist
alles sehr schön, aber die Pferde fliegen nicht, sie traben."

Hans Thoma nahm mit einem Freund teil an einem
Festessen. Unter den Festgästen war auch ein bekannter
Münchner Landschafter, der mit wenig Veränderungen das-
selbe Motiv endlos zu wiederholen pflegte. Dieser Maler
war überreich mit Orden dekoriert. Der Freund sagte zu
Thoma: „Schau doch, was der D. viele Orden hat!" Thoma
blickte hin und antwortete: „Ja, wirklich, so viele Orden
und alle für das eine Bild."

Beim Unterricht malte Hans Thoma einem Schüler in
dessen Stilleben hinein. Der Schüler meinte: „Diese Art
Malerei, Herr Professor, ist mir zu trocken, ich möchte
malen wie der Rubens." „Ich auch", sagte Thoma.

Zu Wilhelm Diez kam ein Bauernbursche, der Maler
werden wollte, um seine Studien zu zeigen. Diez war be-
schäftigt und sagte: „Legen Sie das Zeug in die Ecke
und kommen Sie wieder, ich werde es später ansehen."
Viermal kam der junge Mann wieder, um seine Arbeiten

zu holen und das Urteil zu hören; der alte Diez hatte es
immer wieder vergessen. Als beim fünften Mal die Mappe
immer noch ungeöffnet in der Ecke lag, bekam der Bauern-
bursche eine Wut und brüllte: „Jetzt, verehrter Meister, jetzt
können Sie —" und er sagte den bekannten Spruch Götz
von Berlichingens. Diez war ganz gerührt und rief: „Halt,
junger Mann, Sie haben Talent, viel Talent, gehen Sie hin-
über in meine Klasse."

*

Auf einer Zollstation erhob sich ein Streit zwischen
einem Reisenden, der eine alte Schale verzollen sollte und
dem Zollbeamten über die Frage, was ein Kunstwerk sei.
Der Beamte entschied: „Ein Gegenstand, der zu nichts zu
gebrauchen ist, ist ein Kunstwerk."

Aus einer Rezension Paul Schubrings über August Grise-
bachs Schinkelbuch: „Die ,Neue Wache', also ein Bau für
den Feldwebel, vereinigt das mittelalterliche Kastell mit
dem griechischen Tempel und steht da wie ein lieblicher
Traum, aus dem ein wütender Grenadier heraustritt."

*

Rudolf Großmann will Alfred Kerr zeichnen. Kerr
fragt lächelnd: „Soll ich mich natürlich geben oder po-
sieren?" Großmann antwortet ernsthaft: „Sie müssen
posieren, sonst wird es nicht ähnlich."

DREIUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, FÜNFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. JANUAR. AUSGABE AM 1. FEBRUAR

NEUNZEHNHUNDERTFÜNFUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN

GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR.RICHTER, G. M. B. H., LEIPZIG
 
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