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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 6
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Friedländer, Max J.: Über Privatsammlungen in Amerika
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0225

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PFERD, BRONZESTATUETTE. GRIECHISCH UM 470

NEW YORK, METROPOLITAN MUSEUM

des Sammelwesens sind drüben gegeben. Nur auf
den Grad der Sammellust kommt es an. Falls
wieder ein Pierpont Morgan ersteht, also ein Samm-
ler napoleonischen Formats — und an Männern,
die ebenso reich wie er oder reicher als er sind,
fehlt es keineswegs —, müßte eine gewaltige Nach-
frage und dementsprechend eine Steigerung der
Preise einsetzen. Zur Zeit ist trotz finanziellem
Aufschwung eine Stockung auf dem Kunstmarkte
nicht zu verkennen. Die großen Sammler sind
gestorben oder, wie Joseph Widener, gesättigt.
Von Pierpont Morgan abgesehen, sind Altman,
Frick und Mrs. Gardner tot. Es gilt, neue
Sammler zu finden oder — richtiger — zu erschaf-
fen. Eine wesentliche Aufgabe des Handels besteht

eben darin, das Bedürfnis hervorzurufen,
die Lust anzufachen. Früher war die Funk-
tion der Händler und Vermittler anders
gerichtet. Für sie handelte es sich darum,
mit überlegener Kennerschaft möglichst
gute Dinge aufzuspüren und zu erwerben.
Die Liebhaber kamen dann von selbst,
wählten und kauften. Heutzutage und
namentlich drüben ist der Einkauf die
zweite Sorge der Händler geworden. Ener-
gie, Begabung, Temperament, Reklame,
gesellschaftliche Beziehungen, persönliche
Liebenswürdigkeit werden eingesetzt, Sug-
»estion auf die Kundschaft auszuüben.
Eigenwillige Sammlerindividualitäten, die
mit ausgeprägten Geschmacksbedürfnissen
den Markt besuchen, sind selten geworden.
Die Kunstforscher und Museumsleute sind
drüben als Anreger und Berater weit zu-
rückhaltender als bei uns. Die namentlich
Deutschland herrschende Hochschät-

m

zung vor staatlich beamteter Autorität fehlt
völlig. Die Initiative liegt vorwiegend bei
dem Händler. Daß er ein Kunstkenner ist,
bleibt erwünscht, daß er von seinen Kun-
den für einen Kunstkenner gehalten wird,
ist wichtiger, am wichtigsten aber und Vor-
aussetzung des Erfolges ist, daß er als ein
Menschenkenner Herrschaft ausübt. Das
Instrument, auf dem er mit vollendeter
Virtuosität spielt, ist die Psyche des rei-
chen Mannes.

Der Typus des modernen Händlers ame-
rikanischen Stils wird am reinsten vertreten
durch Sir Joseph Duveen, den Chef des Hauses
Duveen Brothers, der eine wahrhaft produktive
Wirksamkeit entfaltet, nicht nur im Aufkaufen,
Ausstellen und Zeigen außerordentlicher Dinge, son-
dern auch und hauptsächlich durch die geniale Fähig-
keit, reiche Leute zu Sammlern zu machen. Im
mittleren Westen, in Chicago, in Los Angelos, in
Kanada entstehen dank der Suggestionskraft dieses
Mannes neue Absatzgebiete. Sir Joseph ist klug
genug in bezug auf die Echtheit und die Qualität
der Kunstwerke höchst gewissenhaft zu sein. Mit
allen Mitteln werden einwandfreie, unangreifbare
Stücke, bekannte, in der Literatur erwähnte Werke
angeboten. Die Provenienz wird stark beachtet. Gut-
achten von Fachgelehrten gewähren dem geschäfts-

%n Käufer,



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