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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 6
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Heise, Carl Georg: Amerikanische Museen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0235

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sehr weitgehenden testamentarischen Verfügungen,
die nicht allein von gemeinnützigen Gefühlen dik-
tiert zu sein pflegen. Fast immer wird verlangt,
daß die Sammlungen geschlossen aufgestellt wer-
den. Im Metropolitan-Museum habe ich über ein
Dutzend solcher Stiftungen gezählt, oft mehrere
Räume umfassend, die natürlich eine übersicht-
liche Gliederung des Gesamtbesitzes so vollständig
unterbinden, daß dagegen aller Riesenaufwand an
methodischem Ordnungsbemühen und einführender
Pädagogik nahezu wirkungslos bleiben muß. Rem-
brandt kann man in drei, ostasiatisches und euro-
päisch-mittelalterliches Kunstgewerbe in noch mehr
örtlich weitgetrennten Räumen suchen. Es kommt
hinzu, daß innerhalb der Abteilungen für decora-
tive arts zwei Aufstellungsprinzipien verwirrend
nebeneinanderlaufen (wohl in erster Linie auch
durch die Sammlungsgesichtspunkte der Vorbesitzer
bestimmt): das chronologische und das gegenständ-
lich bedingte. Man kann sich die systemlose Un-
übersichtlichkeit eines weltstädtischen amerika-
nischen Museums in Chicago etwa, in Boston oder
New York, nicht schlimm genug vorstellen. Und
sie wächst von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig aller-
dings wächst die Einsicht in die Unzulänglichkeit
der bisher geübten Methoden. Das ist leider fast
unwirksam für die einmal festgefahrenen Betriebe,
äußerst fruchtbar dagegen für Neubauten, die
übrigens wie Pilze aus der Erde wachsen. Cleve-
land, eine Millionenstadt am Erie-See, hat eben ein
vorzügliches neues Museum erhalten, die Ford-Stadt
Detroit baut es sich in diesen Jahren und hat sich einen
deutschen Direktor geholt (Dr. Valentiner), nicht
nur zum Ankauf weiterer Kunstwerke, sondern
gerade in erster Linie zur Überwachung der Bau-
leitung und zur Einrichtung des neuen Hauses.

Viel zum verwirrenden Gesamteindruck trägt
auch der traditionelle Bautypus der öffentlichen
Sammlungen bei. Ein Museum kann man von
weitem erkennen, es sieht überall gleich aus:
klassizistisch, mit vielen Säulen, als Eingang eine
Tempelfassade, die Flügel langgestreckt, so daß
eine möglichst pompöse Front entsteht, diese Flügel
dann nach hinten zu durch weitere Flügelbauten
— oft ein ganzes Labyrinth — vergrößert, immer
aber so, daß für die Hauptschauseite der Charakter
des würdevollen Monumentalbaus gewahrt bleibt.
Gern liegt ein solches Museum leicht erhöht in
einem Park oder auf weitem Platz. Es soll Ein-

druck machen: zur Anlockung des Publikums —
und zur Anlockung der Mäzene. Wie weit tat-
sächlich solche äußerlichen Rücksichten gehen, be-
weist das Vorgehen bei der Neugründung eines
Nationalmuseums in Washington. Man macht es
genau umgekehrt wie bei uns. Zunächst beauftragt
man einen angesehenen Architekten, den Plan zu
entwerfen - - notabene: bevor eine Sammlung,
ja bevor auch nur mehr Geld vorhanden wäre
als zur Besoldung des Entwurfs und einer Studien-
fahrt des Architekten nach Europa notwendig
ist. Hauptbedingung der Auftraggeber für Washing-
ton war die strikte Einhaltung einer riesenhaften
Fassadenlänge (doppelt so lang wie das Berliner
Zeughaus) aus Gründen eines wirkungsvollen Platz-
abschlusses. Mit dem fertiggestellten Plan fängt
man Geldgeber für den Bau, mit dem fertiggestell-
ten Gebäude die Stifter für den Inhalt des reprä-
sentativen Schatzspeichers der Nation. Und man
hat, wenn auch wohl selten mit ganz so drastischer
Naivität, die Erfahrung gemacht, daß sich auf diese
Art wirklich große Kunstsammlungen zusammen-
bringen lassen. Aber wie außerordentlich zweck-
dienlich die Gebäude ausfallen, die für erst später
nachwachsende Sammlungen errichtet werden, läßt
sich unschwer ausmalen! Eine monumentale Ein-
gangshalle (in der jedes Kunstwerk mittlerer Größe
zum Nichts zusammensinkt, die aber den Besucher
blendet und in der die „Trustees" [Vorsteher] ihre
Empfänge abhalten können) ist unvermeidlich, und
auch die Ausstellungsräume werden aus Angst vor
den erwarteten „großen" Objekten übertrieben hoch
gebaut und von nüchternster Gleichmäßigkeit. Un-
übertrefflich dagegen — oft in ergötzlichem Miß-
verhältnis zur Bedeutung der Sammlung selbst —
pflegen die technischen Einrichtungen zu sein: Be-
leuchtung (mit klug erdachten Methoden zur Ab-
biendung des Oberlichtes), Heizung, Ventilation,
Regulierung des Feuchtigkeitsgrades der Luft, An-
lage der Nebenräume (Photographen-Atelier, Re-
gistraturen jeder Art, Magazine — weiträumiger
und praktischer als manches deutsche Provinz-
museum, Frühstückslokal für die Besucher, Arbeits-
zimmer für Spezialstudien, Badezimmer für den
Direktionsstab 1). Nach dieser Richtung sind die
amerikanischen Museen vorbildlich.

Die Sammlungen selbst werden meistens selb-
ständig von den Abteilungsleitern verwaltet und
aufgebaut, der „managing director" hat oft (außer

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