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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 8
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Meier-Graefe, Julius: Eine französische Ausstellung in der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0331

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AUGUSTE RENOIR, SCHLAFENDE FRAU

AUSGESTELLT IN DER WIENER SEZESSION

DIE FRANZÖSISCHE AUSSTELLUNG IN DER WIENER SEZESSION

Dies die dritte der von Karl Moll, dem Spiritus rector des
Wiener Kunstlebens, mit demVerein derWiener Museums-
freunde veranstalteten Ausstellungen. Er begann mit den
Altwiener Malern, einem Spezialgebiet seiner weitreichenden
Kennerschaft, das uns schon auf der Berliner Jahrhundert-
Ausstellung vor bald zwanzig Jahren in der denkbar vor-
teilhaftesten Weise zugänglich wurde. Als Schüler Karl
Schindlers gehört der Maler Moll noch zu der alten Wiener
Schule, die er mit seinen Landschaften in das moderne
Fahrwasser zu begleiten sucht. Voriges Jahr führte er den
Wiener Privatbesitz aus Werken der italienischen Renais-
sance vor; auch ein Gebiet, das wenige Kenner mit glei-
chem künstlerischen Verstand beherrschen. Jetzt hat er mit
den Franzosen des neunzehnten Jahrhunderts ein Muster
an Geschmack, Wissen und Gesinnung aufgestellt, ja, einen
Weltrekord. Diese in aller Stille bereitete, ohne alles Ge-
pränge realisierte Ausstellung ist eine künstlerische Tat von
hoher Bedeutung. Alle mit den künstlerischen Interessen
der Allgemeinheit betrauten verantwortlichen Leute sollten
hinfahren. Es ist sehr viel dort zu lernen.

Die Bedeutung liegt nicht allein in dem hohen Wert der
Objekte, auch wenn diese allein die Reise lohnend macht.
Es ist den persönlichen Beziehungen Molls gelungen, den
französischen Staatsbesitz heranzuziehen und von David, In-
gres, Delacroix, Daumier, Millet, Corot, Manet, Bilder des
Louvre, des Luxembourg und des Petit Palais zu erhalten,
ohne die seine Darstellung der französischen Kunst nicht
möglich geworden wäre. Diese offizielle Unterstützung be-
wog Sammler und die großen Händler von Paris, ihre Sprö-
digkeit gegen das ferne und wenig aufnahmefähige Wien
zu lockern und ihre Courbet, Renoir, Cezanne, Degas, Lau-
trec, van Gogh und Gauguin und noch manches andere
herzugeben. Natürlich fehlen nicht die Hauptstücke des Wie-
ner Besitzes. Von Berliner Sammlungen sind Graf Keßler,

Köhler, Leo von König beteiligt. — Unter den vielen Bil-
dern kaum eine Niete. Doch, eine habe ich gefunden und
sie soll nicht verschwiegen werden; ein zu frühes, minder-
wertiges Bild von Puvis de Chavannes, mit dem man in
letzter Stunde den versprochenen und zurückbehaltenen
Pauvre Pecheur von Puvis ersetzen mußte. Sonst nur min-
destens charakteristische Werke der Meister und nicht wenige
Perlen. Die Augenfreude ist groß, aber bedeutet nicht alles,
nicht einmal das Wesentliche. Man hat in Berlin früher zu-
weilen nicht weniger üppige Dinge zusammengebracht, und
ich erinnere mich einer französischen Ausstellung vor etwa
fünfundzwanzig Jahren in Wien, in derselben Sezession (auch
an dieser war Moll schon beteiligt), die an Werken kaum
ärmer war. Das Besondere dieser Veranstaltung beruht auf
ihrer sinngemäßen, organischen Struktur. Moll hat den Zu-
fall, der sonst bei solchen Gelegenheiten ein gefälliger Ge-
vatter zu sein pflegt, ausgeschlossen und nur seinem Willen
gehorcht, einem Programm, das fesstand, bevor man das
Material erhielt. Es stand ebenso fest, daß man auf die
Ausstellung verzichtet hätte, wenn das Material nicht in der
wünschenswerten Qualität und Quantität erreicht worden
wäre. Nur die Meister, die in der Geschichte des neun-
zehnten Jahrhunderts entschieden haben, wurden genommen,
und von ihnen wiederum die wesentlichen Seiten ihres Wir-
kens. Diese beiden Forderungen mußten mit einer dritten
in Einklang gebracht werden, mit dem nicht unbegrenzten
Raum. Moll hat mit einem detaillierten Grundriß gearbeitet
und bei jedem Bild an den dafür gegebenen Platz gedacht,-
hat die Ausstellung nicht nur als Künstler und Historiker,
sondern auch noch als geschmackvoller Mensch gestaltet,
der sein Haus würdig schmücken will. Das Zusammentreffen
dieser drei Bedingungen, von denen gewöhnlich nicht eine
restlos erfüllt wird, ist das Besondere und Vorbildliche dieser
Darbietung.

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