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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 8
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NEUE BÜCHER

Oberdeutsche Kunst der Spätgotik und Refor-
mati o n s z e i t. Herausgegeben von E. Buchner und K. Feucht-
mayr. Augsburg, B. Filser, 1924.

Ein reichhaltiges Material zur Geschichte der oberdeut-
schen Kunst des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts
ist in diesem Bande vereinigt, der hauptsächlich der Zu-
sammenarbeit einiger sehr eifriger junger süddeutscher Kunst-
forscher seine Entstehung verdankt. Ernsthafte Bemühung
wird auf die Bildung von Gruppen lokal zusammengehöri-
ger Tafelbilder aus der Frühzeit des fünfzehnten Jahrhun-
derts verwendet, deren gemeinsamer Stilcharakter eine Auf-
teilung nach Kunstprovinzen bisher sehr erschwert. Nicht alle
Bestimmungen Buchners und Huglshofers überzeugen, und
es ist nicht ungefährlich, wenn in dem lockeren Gefüge
ein einzelner Stein sich löst. Aber als Anfang einer Ord-
nung des immer reicher anwachsenden Materials sind solche
Versuche wertvoll, zumal eine Reihe wenig bekannter Stücke
in die Literatur eingeführt wird. Drei Aufsätze beschäf-
tigen sich mit Grünewald, besonders aufschlußreich Hein-
rich Feursteins Deutung des Bildgehaltes des Isenheimer
Altars, die als Quelle die Offenbarungen der heiligen Bri-
gitte nachweist und an der Hand dieses Textes den ikono-
graphischen Sinn vieler bisher unerklärter Einzelheiten in
Grünewalds Meisterwerk aufdeckt. Guido Schönbergers Auf-
satz über die Zeichnungen zum Isenheimer Altar ist durch
Friedländers überraschenden Fund von acht bisher unbe-
kannten Zeichnungen in manchem überholt, wie die ge-
samte Grünewaldforschung, die an einem Abschluß zu stehen
schien, sich hiermit plötzlich vor ganz neue und unerwartete
Tatsachen gestellt sieht. Betty Kurth bereichert das Werk
des Jörg Ratgeb durch den Nachweis zweier Bilder in der
Sammlung Figdor in Wien. In die Spätzeit der altdeut-
schen Malerei führen drei Beiträge zum „Historien- und
Schlachtenbild" der deutschen Renaissance, die vor allem
den bisher wenig beachteten Maler Ruprecht Heller, dessen
Schlacht bei Pavia im Stockholmer Nationalmuseum hängt,
in den Mittelpunkt der Diskussion rücken.

Zur Geschichte der Plastik ist Karl Gröbers Aufsatz über
Hans Multscher zu erwähnen, in dem eine Reihe eng mit
des Meisters bekannten Skulpturen zusammenhängende Stücke
publiziert werden. Feulner hat das Original zu Leinbergers
Moosburger Christus in der Rast gefunden. Georg Licht
fügt dem Werk des Allgäuer Bildschnitzers Jörg Lederer
zwei Figuren des Münchener Nationalmuseums hinzu, und
Karl Feuchtmayr beschäftigt sich mit dem Meister, der die
reizenden Figürchen des Untermenzinger Altars geschaffen hat.

Besonderen Wert erhält der Band, von dessen vielseiti-
gem Inhalt diese Aufzählung eine Vorstellung geben will,
durch die vorzüglichen großen Abbildungen, mit denen der
Verlag ihn in freigebigster Weise ausgestattet hat. Glaser.

„V e r m e e r van D e 1 f t", Bd. X der Serie: Das Bild,
Atlanten zur Kunst, herausgegeben von Wilh. Hausenstein.
München 1924, R. Piper & Co.

Das Buch kommt erwünscht als der erste handliche Ab-
bildungsband der Werke Vermeers und der ihm zugeschrie-
benen Zeichnungen. Auf die fünfundvierzig klaren, guten

Autotypien folgt ein längeres Nachwort von Benno Reifen-
berg, in dem er ein anschauliches Bild von der Kunst des
Delfter Meisters entwirft.

Er sieht in Vermeer die klassische Verkörperung hol-
ländischen Wesens. „Klassisch" ist Vermeer in der Har-
monie der Farbe, in der einfach großen Typisierung der
Form, in der Ruhe und Klarheit des Aufbaues. Reifen-
berg empfindet hierin etwas der griechischen Kunst Ver-
wandtes und man wird sich diesem Vergleich nicht ganz
entziehen können, wenn auch für unser Gefühl in einer
Charakterisierung Vermeers, das rein Farbensinnliche, das
Stillebenhafte aller Erscheinungen — also etwas spezifisch
Ungriechisches — als der individuellste Grundzug seiner
Kunst stärker hätte zu seinem Rechte kommen müssen.

Eine Folge dieser Art Vermeers ist das vegetative Da-
sein seiner Menschen, die ihn eigentlich nur als schöne
Farboberflächen und Träger der Interieurstimmung interes-
sieren. Reifenberg geht darum zu weit, wenn er „Die Brief-
leserin" in Amsterdam psychologisch ausdeutet und beinahe
einen halben Roman in sie hineinsieht.

Sehr wirksam sind die Farbenbeschreibungen. Reifen-
bergs Begabung scheint hier besonders zu sitzen. Im Tone
des Ganzen würde man vielleicht ein wenig mehr Nüchtern-
heit wohltuend empfinden. Auf die kunsthistorischen Fra-
gen geht Reifenberg zusammen mit Hausenstein nur kurz in
den Anmerkungen ein, dabei sich im Wesentlichen an die bis-
herigen Urteile in der Literatur anschließend. J. Rosenberg.

Wilhelm Pinder, Die deutsche Plastik des vier-
zehntenjahrhunderts. München,KurtWolffVerlag, 1924.

Nunmehr kommt in diesem groß angelegten Tafelwerke
auch das vierzehnte Jahrhundert zur Sprache. Etwa hun-
dert Abbildungen, auch dieses Mal in vorzüglichen Licht-
drucken, führen uns von der weichidealisierenden, linear
bewegten Frühzeit, wie sie etwa die Propheten vom mitt-
leren Westportal des Straßburger Münsters oder die heilige
Katharina von St. Sebald in Nürnberg repräsentieren, bis
zu den realistisch-zuständlichen Ausgängen, die wohl ihre
glänzendsten Vertreter in den Büsten der Triforien-Galerie
des Prager Doms gefunden haben. Welche Fülle an wei-
teren bedeutsamen Werken — z. B. die hoheitsvoll auf-
ragenden Bischofsgrabmäler in Würzburg und Bamberg —
birgt diese Epoche der deutschen Plastik, die man lange
Zeit vor dem dreizehnten und fünfzehnten Jahrhundert un-
gebührlich zurücktreten ließ! Derjenige, der als erster ihr
besonderes künstlerisches Wollen und ihren Entwicklungs-
gang gedeutet hat, Wilhelm Pinder, hat die Abbildungen
ausgewählt und ihnen eine längere Einleitung vorange-
schickt. Sie ist zu seiner mehr ins Detail gehenden, kriti-
schen Fundierung in Burger-Brinckmanns „Handbuch der
Kunstwissenschaft" die willkommene Ergänzung auch für
den Fachmann, weil sie den Gesamtcharakter und die Ent-
wicklungslinie zusammenfassender überblickt. Diese Ein-
leitung hat wiederum alle Vorzüge Pinderscher Darstellungs-
weise, die lebendige Eindrücke, wie sie sich aus umfassen-
der und wiederholter Kenntnis des Materials ergeben, in
lebendige Worte zu fassen weiß, aber auch alle Vorzüge



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