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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 9
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Heise, Carl Georg: Amerikanische Museen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0349

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THRONENDE MADONNA
FRANZÖSISCH, ZWÖLFTES JAHRHUNDERT

NEW YORK, METROPOLITAN MUSEUM

gilt, aber sie hat eine gepflegte Physiognomie:
in der Mitte eine lange, schmale Halle mit
Tonnengewölbe, eine Art Tribuna, die aus
allen Perioden plastische Hauptwerke enthält,
zu beiden Seiten sechs Räume mit chrono-
logischer Anordnung der Werke. Zur Demon-
stration der frühesten Zeiten, namentlich der
kretischen Kunst, sind in sehr reichem Ausmaß
Kopien herangezogen. Dadurch ist eine anschau-
liche Übersicht gewährleistet, wenn auch die
Mischung von Abguß und Original im gleichen
Raum (zwar in getrennten Vitrinen) für unse-
ren europäischen Geschmack peinlich bleibt.
Seine eigentliche Bedeutung erhält diese klassi-

sche Abteilung durch einzelne hochwertige Funde, die
unter großem Kostenaufwand gekauft sind und die das
Durchschnittsniveau der übrigen Sammlungsobjekte turm-
hoch überragen. Zwei entgegengesetzte Sammlungsprinzi-
pien treffen aufeinander: der Drang zu lehrhafter Vollstän-
digkeit selbst auf Kosten der Qualität und ein auf Er-
werbung höchstwertiger Hauptwerke von Weltruf gerich-
teter Ehrgeiz. Ich nenne den etruskischen Bronzewagen
mit herrlicher getriebener Arbeit, vorbildlich montiert, der
einzige, der nahezu vollständig erhalten ist, und die
1900 entdeckten köstlichen Fresken einer Villa bei Bos-
coreale in der Nähe von Pompeji. Relativ reicher als
wir es gewöhnt sind, erscheint die Kleinkunst: bronzene
Spiegel, Schmuck, Vasen, Tanagra. Die Vorliebe für Ta-
nagra ist allgemein — im Metropolitan-Museum erscheint
neben der Fülle bester Originalstücke ein großer Schrank
mit Fälschungen, angeblich um den Abstand fühlbar zu
machen (ein für uns schwer faßlicher Gesichtspunkt!), in
Wahrheit wohl aus einer gewissen Sentimentalität gegen
diese einst teuer eingekauften Lieblinge. — Die Kataloge
und Führer dieser Abteilung sind besonders zahlreich,
die jüngste Publikation trägt — bezeichnend für die Blick-
richtung der Kunsterzieher — den Titel „Daily Life of the
Greeks and Romans".

Die ägyptischen Säle machen einen weit großartigeren
Eindruck, vor allem deswegen, weil die Ausbeute eigener
Expeditionen einen Reichtum und eine Vielseitigkeit er-
möglicht, die keine noch so rege Ankaufstätigkeit er-
reichen kann. Die Grabkammer des Perneb (V. Dynastie)
mit reichen Wandreliefs, zum Teil farbig vortrefflich er-
halten, bildet den großartigen Auftakt. Bezeichnend für
die anschauliche Darbietungsform sind die Glasbildtrans-
parente, die den Hergang der Entdeckung des Grabes in
Hauptetappen vorführen. Bedeutende Fundstücke hat die
Expedition von 1920 heimgebracht aus dem Grab des
Prinzen Mehenkwetre in Theben (XL Dynastie), bemalte
Holzmodelle zur Verdeutlichung des täglichen Lebens im
Haushalte des Verstorbenen von verblüffend drastischer
Anschaulichkeit, wohl die reichste Serie dieser Art, die
bisher aufgefunden wurde. Auch außerhalb dieser be-
sonderen Expeditionsergebnisse ist die bereits überfüllte
ägyptische Abteilung überreich an einzelnen plastischen
Hauptwerken (die acht Sitzfiguren der löwenköpfigen
Göttin Sekhmet aus Karnak schon ihrer Riesengröße we-
gen bemerkenswert), und namentlich an Spezialitäten der
Kleinkunst.

An die ägyptischen Räume schließt sich die Waffen-
kammer, eine hohe Halle durch zwei Etagen mit fünf
Nebensälen. Rüstungsromantik ist sehr charakteristisch

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