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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 9
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Meier-Graefe, Julius: Die Sammlung Gangnat
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0365

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AUGUSTE RENOIR, DER SCHREIBENDE COCO. 1903

Gründung. Man hatte ihm von einer aussichts-
reichen Zuckerfabrik gesprochen, und er konsul-
tierte seinen Onkel, einen alten Pariser, wohl ver-
traut mit dem Geschäftsleben der Kapitale. Dieser
Onkel war Paul Gallimard, der bekannte Biblio-
phile und Besitzer einer berühmten Sammlung von
Bildern aus der Zeit Delacroix'. Gallimard riet von
geschäftlichen Unternehmungen ab. Zucker-Raffi-
nerien gab es wie Sand am Meere, und ohne Ri-
siko fiel nichts ab. Er empfahl dem Neffen, eine
Sammlung anzulegen. Gangnat nahm den Propos
anfangs für einen Witz und ließ sich nur mit Mühe
verleiten, den Onkel auf einem Gang durch die
Rue Laffitte und bei einem Besuch des Hotel Drouot
zu begleiten. Der Mentor wies darauf hin, wie
schwierig es sei, auf andere Weise einem Luxus zu
frönen, der alle möglichen sozialen Vorteile brachte
und noch dazu Renten abwarf. Frauen und Pferde
wurden täglich teurer und nützten sich um so schnel-
ler ab, und der Ersatz zwang zu immer umfang-
reicheren Investierungen von Kapital, ganz abge-
sehen von den Gefühlsmomenten und körperlichen
Strapazen. Dagegen bekam das Sammeln von Bil-
dern Geist und Körper vortrefflich, erforderte keine
übermäßige Anstrengung und trug zur Vervoll-
kommnung des Individuums bei. Bei einiger Ge-
schicklichkeit verdoppelte man sein Kapital in zehn
Jahren und wurde noch dazu ein berühmter Mann.
Von der finanziellen Seite des neuen Berufs

überzeugte sich Gangnat bei diesem ersten Besuch
des Hotel Drouot. Es kamen einige Stücke unter
den Hammer, die einem Freunde Gallimards ge-
hörten und deren Anschaffungskosten bekannt waren.
Die Rechnung ergab einen Gewinn, dessen sich
Gangnat bei der Eisenbahn nie zu rühmen vermocht
hatte.

Die Genesis entbehrt aller Romantik. Das Re-
sultat empfiehlt das Verfahren und verpflichtete den
Neffen dem Onkel. Unter Leitung des erfahrenen
Mannes durchschiffte Gangnat schnell und ungerupft
die mißlichen Anfangsstadien der Karriere und
kam gleich an die richtigen Objekte. Sehr bald
schwamm der Neffe allein und überholte den Onkel.

Aus dieser Vernunftheirat mit der Kunst wurde
eine überaus glückliche Ehe. Der Rentner verwan-
delte sich in einen Liebhaber und erreichte sehr
schnell eine selbst in Paris alleinstehende Klasse.
Es gibt ja dort eigentlich seit dem Tode des alten
Henri Rouart, dessen Sammlung kurz vor dem
Kriege dahinging, kaum noch das, was man zu
Zeiten der Goncourts Amateur nannte, den bürger-
lichen und bei weitem würdigeren Nachfolger der
großen Herren des achtzehnten Jahrhunderts, die
sich der Kunst bedienten, während der von Dau-
mier mit Vorliebe gemalte Amateur ihr fanatischer
Diener war. Das Geld hat auch mit dieser Passion
aufgeräumt. Rouart, der noch die Meister von Bar-
bizon persönlich gekannt hatte, mit Manet ver-

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